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Im Fokus 18.12.25

«Die Schweizer Kunstszene hat mich überrascht»

Antoine Bony ist seit 2025 Mitglied von network.

Antoine Bony ist Direktor der Galerie Fabienne Levy in Genf und war zuvor mit einer eigenen Kunstberatung tätig. Er ist auf queere Kunst spezialisiert und eines der neusten Mitglieder von network.

Antoine, du hast in den USA, Grossbritannien, den Niederlanden und Frankreich gelebt. Wie unterscheidet sich die Genfer Kunstszene von den Orten, an denen du zuvor warst?
Sie ist definitiv ruhiger – sowohl was die Aktivität als auch neue Entwicklungen im Kunstmarkt betrifft. Nach sechs Jahren in Paris hat mich die Schweizer Kunstszene überrascht. Von aussen ist sie wenig sichtbar – abgesehen von Art Basel und einigen grossen Institutionen. Wenn man jedoch genauer hinschaut, erkennt man viele Möglichkeiten und eine lebendige Szene.
Das spiegelt die Schweizer Mentalität wider: Hier braucht alles mehr Zeit. Trends kommen langsamer an, während Paris sehr schnelllebig ist – Neues entsteht rasch, verschwindet aber oft genauso schnell wieder. Die Schweiz ist stabiler, vielleicht aber weniger unmittelbar stimulierend.

Was macht für dich gute Galerienarbeit aus?
Eine gute Galerie muss konsequent sein in dem, was sie zeigt. Ihre Identität – das, was sie stark macht – ist eine klare künstlerische Linie. Auch wenn diese nicht sofort erkennbar ist, sollte sich ein roter Faden durch ihre Philosophie ziehen.
Als Direktor ist es meine Aufgabe, die von uns vertretenen Künstler:innen zu fördern, Sammler:innen beim Aufbau ihrer Sammlungen zu begleiten und – ganz wichtig – eine neue Generation von Sammlenden anzusprechen. Das erfordert eine klare Vision und Beständigkeit in der Rolle der Galerie im Markt.
Die Galerie Fabienne Levy hat beispielsweise drei Standorte: Lausanne, Genf und seit Kurzem Zürich. Eine unserer zentralen Aufgaben ist die Förderung junger, aufstrebender Künstler:innen mit grossem Potenzial. Darauf fokussieren wir uns an allen drei Orten.

Welche Rolle spielt Kunst im heutigen, politisch angespannten Umfeld?
Kunst war schon immer ein Rückzugsort von der Realität – seit Jahrhunderten. Wer Kunst kauft, tut dies meist aus Leidenschaft und Emotion, nicht aus reinem Investmentdenken. Man braucht eine Verbindung zum Werk, insbesondere wenn man mit ihm lebt. Gerade in schwierigen Zeiten bietet Kunst die Möglichkeit, abzuschalten und Freude zu erleben.

Hat sich deiner Meinung nach das Bedürfnis nach diesem Rückzug zuletzt verstärkt?
So würde ich es nicht formulieren, aber es gibt klar einen Generationenwechsel bei den Sammler:innen. In Asien bleiben ältere Sammlende oft dem treu, was sie schon immer gesammelt haben. Die jüngere Generation – Menschen in ihren 30ern und 40ern oder noch jünger, sofern sie die Mittel haben – interessiert sich stärker für Künstler:innen, die politische und gesellschaftliche Themen aufgreifen, die ihnen wichtig sind. Das ist ein grosser Trend, und es ist entscheidend, genau diese Kunstschaffenden zu fördern.

Welchen Rat gibst du Menschen, die Kunst mögen, aber keine Experten sind und mit dem Sammeln beginnen möchten?
Zuerst: sich informieren. Museen besuchen, Galerien entdecken, online nach neuen Künstler:innen suchen. Galerien können einschüchternd wirken, doch die meisten sind sehr offen. Einfach hineingehen, Fragen stellen und herausfinden, was einen wirklich anspricht.
Und wenn man sich für ein Werk interessiert, sollte man keine Scheu haben, über Finanzierung zu sprechen. Junge Sammler:innen sehen oft einen Preis von 10’000 Franken und denken sofort, das sei unmöglich. Doch es gibt meist Lösungen – etwa Ratenzahlungen über mehrere Monate. Sammeln ist leidenschaftsgetrieben, und Wege finden sich. Viele der bedeutendsten Sammler:innen der letzten 50 Jahre haben klein angefangen und ihre Sammlungen Schritt für Schritt aufgebaut.

Wer ist dein Lieblingskünstler – und warum?
Robert Mapplethorpe, der amerikanische Fotograf, der an AIDS gestorben ist. Seine Arbeiten sind minimalistisch und konzentrieren sich auf Körper, Muskeln und Licht. Sie sind klassisch und zugleich universell – zeitlos und tief mit der Gesellschaft verbunden.

… und auch mit der queeren Community.
Als mein Mann und ich mit dem Sammeln begannen, konzentrierten wir uns ausschliesslich auf schwule männliche Künstler. Das erschien uns jedoch bald zu einengend. Heute sammeln wir Künstler:innen, die sich mit Identität beschäftigen – sei es sexuelle, nationale oder religiöse Identität. Das ist der Kern unserer Sammlung.

Also hat auch eure Sammlung – wie eine Galerie – eine eigene Linie.
Genau. Eine Sammlung braucht einen roten Faden. Sie muss mit der Zeit Sinn ergeben und organisch wachsen.

Seit wann bist du Mitglied bei network?
Ich bin im Februar 2025 als Interessent beigetreten. Inzwischen bin ich Vollmitglied – warte allerdings noch auf meine Rechnung! (lacht) – und engagiere mich neu im Genfer Vorstand, wo ich für Interessenten zuständig bin.

Was hat dir an network-Anlässen von Beginn an besonders gefallen?
Menschen in einem professionellen Umfeld zu treffen. Ich glaube an Communities und schätze den Austausch, das Teilen von Wissen und das Öffnen neuer Perspektiven. In der schwulen Community bewegt man sich oft in denselben Kreisen – da ist ein professioneller Rahmen für Begegnungen sehr erfrischend.

Für viele Menschen ist Kunst Entspannung – für dich ist sie Beruf. Wie entspannst du dich?
Wenn man in der Kunst arbeitet, ist man ständig von ihr umgeben: in Galerien, Museen oder auf Instagram. Der Kopf ist immer mit Kunst beschäftigt. Nach einer intensiven Woche bedeutet Entspannung für mich meist nicht, mir noch mehr Kunst anzusehen.
Um wirklich abzuschalten, gehe ich gern in die Natur, treffe Freunde zum Essen oder auf einen Drink und gehe ins Fitnessstudio – das hilft mir, den Kopf freizubekommen. Ich koche auch sehr gerne. Zudem bin ich aktiv in meiner jüdischen Community; der spirituelle Rahmen hilft mir, mich auf einer anderen Ebene zu lösen und wieder zu mir selbst zu finden.
Gleichzeitig ist bei Reisen und Ferien die Entdeckung der lokalen Kunstszene fast immer ein zentraler Bestandteil.

Hast du persönliche Routinen oder Rituale, die dir helfen, im Gleichgewicht zu bleiben?
Ich bin sehr strukturiert und plane meine Tage bewusst. Ich stehe gegen sechs Uhr auf, gehe ins Fitnessstudio und beginne den Tag zu Hause. Der Abstand zu Bildschirmen klärt meinen Kopf. Nach dem Frühstück fahre ich meist gegen zehn Uhr in die Galerie und arbeite bis etwa sieben.
Ich besuche auch gerne Kurse – einen abschliessen, den nächsten beginnen. Es ist eine einfache Routine: Fitnessstudio, Arbeit, Zuhause oder Kurs. Aber sie tut mir gut.

Wenn du einen Künstler frei wählen könntest, den du in deiner Galerie zeigen möchtest – wer wäre das und warum?
Amit Berman, den wir 2026 zeigen werden. Bis vor Kurzem hatte ich noch nicht direkt mit ihm gearbeitet. Er ist queer, mit einem Mann verlobt, und beschäftigt sich in seinen Arbeiten intensiv mit Intimität, indem er persönliche Erfahrungen authentisch nachzeichnet. Seine Werke normalisieren queeres Leben, ohne in die Stereotypen der letzten 30 bis 40 Jahre zu verfallen.
Mir ist es wichtig, mit Künstlern zu arbeiten, die eine andere Art von schwulem Leben zeigen. Er ist sehr jung, hat enormes Potenzial und wird 2026 auch an der Art Genève präsentiert. Rund um diese Ausstellung plane ich zudem einen weiteren network-Anlass in der Galerie.

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