Kinotipp 14.10.24
Balz & Jary – Die Story eines kongenialen Musik-Duos als Filmdoku

Der schwule Liedtexter Bruno Balz schuf zusammen mit dem Komponisten Michael Jary unvergessene Schlagerhits. Nun gibt es die Geschichte des Duos als Film – produziert von Networker Ivan Madeo.
Kino-Glamour, Songs für Superstar Zarah Leander, Gestapo-Haft, Bombenhagel, Neuanfang und die swingenden Sechziger: Die Geschichte des Texters Bruno Balz und des Komponisten Michael Jary ist im wahrsten Sinn des Wortes filmreif. Nun kommt sie als Dokumentation mit dem Titel «Im Schatten der Träume» unter der Regie von Martin Witz und produziert von Networker Ivan Madeo in die Kinos.
Opfer von Paragraph 175
Mitte der 30er-Jahre lernten sich Balz und Jary an der Theke einer berüchtigten Berliner Kneipe kennen – der Beginn einer kreativen und produktiven Freundschaft.
Balz engagierte sich bereits als Jugendlicher in der Schwulenbewegung, veröffentlichte Gedichte in einschlägigen Zeitschriften und wurde während der Zeit des Nationalsozialismus zweimal Opfer des «Schwulen-Paragraphen» 175.
Nach seiner zweiten Verhaftung durch die Gestapo im Jahr 1941 intervenierte Hetero-Freund Jary: Er könne die von Goebbels für den Film «Die grosse Liebe» geforderten Lieder als «Beitrag zur Kriegsanstrengung» ohne die Hilfe von Balz nicht vollenden. Dieser kam daraufhin innerhalb von Stunden frei und schrieb über Nacht einen Welthit für Zarah Leander: «Ich weiss, es wird einmal ein Wunder geschehen».
Emotionale Tiefe
Die Dokumentation verknüpft die Biografien des erfolgreichen Gespanns mit der Film- und Musikgeschichte ihrer Zeit. Die teils weltberühmten Lieder erhalten so eine reale Dimension und emotionale Tiefe.
Gleichzeitig öffnet sie den Blick auf den gesellschaftlichen und politischen Kontext. Dies gelingt unter anderem mit privaten Dokumenten und Filminterviews der beiden. Hinzu kommen Erinnerungen von Nachfahren und Zeitzeugen.
«Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern», «Davon geht die Welt nicht unter» oder «Wir wollen niemals auseinandergehn»: Viele der Hits werden bis heute von zahlreichen Chansonniers neu interpretiert. Zu ihnen gehört Bandleader und Musikhistoriker Götz Alsmann, der im Film ebenso zu Wort kommt wie Gay-Aktivist Manfred Herzer oder Jarys Tochter Micaela Jary.
Nostalgisch und lebensbejahend
Was fasziniert den langjährigen Networker und Produzenten des Films Ivan Madeo an Balz und Jary? «Dass sie trotz ihrer Verschiedenheit ihr Leben lang zusammengehalten und Melodien in zahlreichen Musiksparten geschrieben haben, die wir alle heute noch kennen. Melodien, die so einfach klingen und die wir nichtsahnend nachsingen – hinter denen sich aber wunderbar biografische und zeithistorische Details verstecken.»
Sein Lieblingslied ist übrigens «Unter den tausend Laternen» aus dem gleichnamigen Film mit Michel Aucler. «Das Lied ist einfach eine Wucht, auch nach über 70 Jahren. Es gibt davon zig Versionen, doch die originale mit Orgel und Gesang ist immer noch die mitreissendste: nostalgisch, melancholisch, aber hoffnungsvoll und (wie Götz Alsmann sagt) lebensbejahend.» Das alles zu kombinieren, klinge so einfach, sei aber wahre Kunst.
Es ist nicht die erste Story mit queerem Aspekt, die Ivan in der von ihm mitbegründeten Firma «Contrast Film» produzierte: Nachdem er durch network Röbi Rapp und Ernst Ostertag kennengelernt hatte, realisierte er 2014 als Autor und Produzent den Film «Der Kreis». Dafür gab es unter anderem den Publikumspreis und den Teddy Award an der Berlinale sowie den Schweizer Filmpreis.
«Im Schatten der Träume» feiert am 9. Oktober 2024 im Rahmen des Zurich Film Festivals Weltpremiere. Ein anderes neues Werk von Contrast Film mit LGBTI-Thematik ist der historische Spielfilm «Der Landesverräter» (ab 24. Oktober im Kino).