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Budapest Pride 2025
 16.9.25

«Das war Ungarns Stonewall»

budapestpride
Strahlende Gesichter an der wohl bedeutendsten ungarischen Pride der Geschichte (Foto: Instagram / budapestpride photos)

Die von der Regierung verbotene Budapest Pride 2025 wurde die grösste aller Zeiten. Aktivist und Journalist Ádám András Kanicsár schildert seine Emotionen – und analysiert die politischen Folgen.

Unter dem perfiden Vorwand des «Kinderschutzes» hatte Viktor Orbáns Regierung im Frühjahr 2025 die Budapest Pride verboten. Es wurden Geldstrafen, der Einsatz von Technologie zur Gesichtserkennung und sogar Gefängnis angedroht. Die LGBTI-Community, Menschenrechtsorganisationen und Politiker:innen im In- und Ausland protestierten heftig gegen diese eklatante Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Doch die stärkste Antwort auf Orbán kam am Tag der Pride selbst: Am 28. Juni zogen über 100’000 Menschen durch Budapest – so viele wie noch nie.

Vor Glück geweint
Für Ádám András Kanicsár, einen der sichtbarsten und engagiertesten Vertreter der ungarischen LGBTI-Gemeinschaft, war es ein historischer Tag der Liebe, Freiheit und Gleichheit. Ein Tag, an dem die Community der «antidemokratischen, autoritären, weissen, heteronormativen, cis-männlichen Fidesz-Partei den Stinkefinger gezeigt» hat, wie es Ádám im Interview mit network formuliert. Es sei nicht einfach ein Umzug gewesen, sondern ein Aufstand. «Ich habe vor Glück geweint – und meine Freunde auch», sagt Ádám.

Für den Journalisten, Aktivisten und Social-Media-Spezialisten, der die Pride in Budapest hautnah miterlebt und mitgestaltet hat, kommt aber noch ein anderes persönliches Gefühl hinzu: «Ich war stolz, Ungar zu sein.» Dank den Verbündeten im ganzen Land habe er endlich wieder einmal echten Nationalstolz gespürt – eine Emotion, welche die Fidesz-Partei in den letzten Jahren exklusiv für sich vereinnahmen wollte.

Doch auch die internationale Solidarität sei wichtig gewesen, denn so habe sich die Community in Ungarn nicht allein gefühlt. «Wenn sie dir deine Rechte nehmen und dich von den Strassen verbannen wollen, brauchst du das Gefühl, nicht allein zu sein.» Aktivismus beginne oft national – man kämpfe für sein Land, für seine Gesellschaft. Aber manchmal müssten wir uns wieder bewusstwerden, dass wir international kämpfen. «Und diese Pride hat uns das deutlich gezeigt.»

Es sei eine düstere Zeit, sagt Ádám weiter. «Um sie zu überstehen, brauchen wir Hoffnung. Hoffnung entsteht durch Inspiration, Liebe und Unterstützung. Und die kann wiederum nur von anderen Menschen kommen.»

Ádám András Kanicsár
Ádám András Kanicsár (Bild: Nagy Szabolcs)

Nicht in die Falle getappt
Wie schätzt er Orbáns Taktik bei diesem Verbot ein? Geht es ihm wirklich um das Wohl der Kinder? War es eine Provokation? Ein Ablenkungsmanöver von den wirklichen Problemen im Land? Oder ein Gruss an Verbündete wie Trump und Putin?

Es war ein bisschen von allem, denkt Ádám. Vielleicht würden die Leute in der Regierung mittlerweile tatsächlich glauben, die LGBTI-Community wolle den Kindern etwas antun – was beängstigend wäre. Orbán würde demnach aufrichtig als «Beschützer familiärer Werte» in die Geschichte eingehen wollen.

Ádám ist sich jedoch sicher, dass das Verbot auch als Falle für Orbáns politischen Herausforderer Péter Magyar gedacht war. Dieser habe sich aber – wohl ganz zu Orbáns Enttäuschung – bis zum letzten Tag nicht zum Verbot geäussert.

Endlich daheim
Dass nun heftige Gegenreaktionen in Form von noch stärkerer Repression drohen, glaubt Ádám nicht. Vielmehr hoffe er, dass die Regierung jetzt endlich verstanden habe, dass Ungarn im Kern nicht homophob ist. «Es war ein Triumph, den wir nie vergessen werden. Es war unser ungarischer Stonewall-Moment – ein Meilenstein, ein Beweis dafür, dass wir gemeinsam stark sind, und ein Zeichen dafür, wie viele Verbündete es gibt.»

Dieser Tag habe der ungarischen LGBTI-Community Kraft gegeben. Denn endlich konnte sie das Gefühl haben, daheim zu sein – zumindest ein bisschen. «Wir dürfen uns in unserem eigenen Land zuhause fühlen. Und das ist ein riesiger Sieg.»

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