Schwulengeschichte.ch 8.7.24
Schwule Geschichten aus der schwulen Geschichte

Die Website schwulengeschichte.ch ist auf der Suche nach motivierten Hobby-Historikern. Networker Daniel Bruttin erzählt, weshalb er sich für dieses monumentale Geschichtsprojekt engagiert.
«Man muss die Geschichte kennen, um die Zukunft gestalten zu können», sagt Daniel Bruttin. Der Zürcher Networker begründet mit dieser Lebenseinstellung sein Interesse an historischen Ereignissen und damit wiederum seine langjährige Arbeit für schwulengeschichte.ch.
«Wir erzählen Geschichten»
Seit 2009 dokumentiert die Website das gesellschaftlich relevante schwule Geschehen in der Schweiz. Es ist ein Werk, das immer weiterwächst und weltweit seinesgleichen sucht. Hochschulen, Studierende und Doktorierende aus dem In- und Ausland melden sich mit Anfragen an die von Daniel betreute Mailadresse – ein grosses Kompliment für die Arbeit der Beteiligten.
Wobei: Um akademische Texte handle es sich nicht, sagt Daniel. «Wir erzählen in erster Linie Geschichten.» Die darin enthaltenen Daten und Fakten allerdings seien sorgfältig recherchiert.
Ursprünglich ein Buch
Das ambitionierte Geschichtsprojekt wurde 2009 vom wohl berühmtesten Männerpaar des Landes, den network-Ehrenmitgliedern Ernst Ostertag und Röbi Rapp ins Leben gerufen. Röbi ist 2018 verstorben; Ernst ist mittlerweile 94 und weiterhin für schwulengeschichte.ch aktiv. Die beiden sind denn auch die Autoren einer Mehrzahl der Beiträge.
Ursprünglich hätte das umfangreiche Projekt eigentlich in Buchform publiziert werden sollen. Doch ein dreibändiges Geschichtswerk mit zahlreichen Fotografien war finanziell nicht umsetzbar. Das Medium Buch ist aber noch formal im kapitelartigen Aufbau der Beiträge gegenwärtig. Eine vierstellige Zahl an Webpages erzählen von Persönlichkeiten, Organisationen und politischen Kampagnen. Auch der Geschichte von network sind rund 40 Unterkapitel gewidmet.
Hobby-Historiker gesucht!
Noch sei aber längst nicht alles auf schwulengeschichte.ch zu finden, das dort verewigt werden sollte, sagt Daniel. Es existiere eine Pendenzenliste und es tauchen auch immer wieder neue Themen auf. Die Augen offenhalten und mit vielen Menschen sprechen: Das sei das beste Rezept, um an neues Material zu gelangen.
«Damit sich schwulengeschichte.ch weiterentwickeln und lebendig bleiben kann, braucht es engagierte Mitarbeiter, die Dokumente zur Verfügung stellen und sich im Idealfall gleich selbst als Autoren ihres Themas betätigen», sagt Daniel. Er selbst ist unter anderem Autor des umfangreichen Beitrags zum Pink Apple, dem grössten queeren Filmfestivals der Schweiz – als dessen Gründer ist er dafür natürlich die ideale Quelle.
Auch wenn die aktive Mitgestaltung das Wertvollste sei, helfe natürlich finanzieller Support ebenfalls, so Daniel. Mit einem Jahresbeitrag von 100 Franken unterstützen die Mitglieder des Trägervereins direkt den Betrieb und die Sichtbarkeit der Internetseite.
Jubiläum mit Grindr
Für Daniel Bruttin zeigt schwulengeschichte.ch, dass die queere Geschichte der Schweiz – vom frühsten Eintrag aus dem Jahr 534 bis zur Gegenwart – nicht linear und simpel verlaufe, sondern vielmehr vielschichtig und komplex.
Für das 15-jährige Bestehen der Website macht er sich gerade Gedanken dazu, was im Jahr der Aufschaltung passiert war, das für die schwulen Chronisten von Bedeutung wäre. Was hat er herausgefunden? Im Jahr 2009 ging «Grindr» online! «Die Plattform hat die Art und Weise, wie wir uns kennenlernen, völlig verändert.» Zweifellos auch von historischer Bedeutung.