Im Fokus 20.10.25
Wo Klimaforschung und ökonomisches Denken aufeinandertreffen

Zürcher Neumitglied Patricio Velasquez hilft Firmen, sich auf klimabedingte Herausforderungen vorzubereiten. Im Interview sagt er, wie die Neugier und die Liebe ihn von Chile in die Schweiz führten.
Patricio, viele Unternehmen fürchten erhebliche Mehrkosten durch Netto-Null-Ziele – ist das berechtigt oder ein Vorurteil?
Klar, am Anfang kostet CO₂-Reduktion Geld, schliesslich müssen Investitionen getätigt werden. Auf lange Sicht holt man die Kosten zum Beispiel durch mehr Energieeffizienz und Innovationsvorteile wieder rein. Die Frage sollte vielmehr sein: Was geschieht, wenn wir alle nichts machen? Dann leidet das Wirtschaftswachstum mit spürbaren Folgen für uns alle.
Bei unserem Austausch vor dem Interview habe ich dich fälschlicherweise als Klimatologen betitelt – dabei bist du ja Klimawissenschaftler! Was ist jetzt da nochmals der Unterschied?
Die Klimatologie fokussiert sich hauptsächlich auf die Mittelwerte des Klimas und die Vorgänge in der Atmosphäre. Die Klimawissenschaft dagegen beschäftigt sich mit dem ganzen Klimasystem, zu dem beispielsweise auch Ozeane, Land, Eis und Tiere gehören. Dabei gelangt man rasch an Schnittstellen zu anderen Wissenschaften.
In deinem Fall ist das aktuell die Wirtschaft: Du arbeitest neu an der ETH als wissenschaftlicher Assistent im Bereich Klimaökonomie. Was machst du da?
Ich untersuche, wie sich Klimaphänomene auf die Wirtschaft auswirken, und entwickle Lösungen, um Unternehmen besser auf klimabedingte Herausforderungen vorzubereiten. Dabei verbinde ich wissenschaftliche Klimadaten mit wirtschaftlichen Strategien für eine nachhaltige Zukunft.
Wie profitieren Unternehmen konkret von deiner Forschung?
Ich habe einerseits eine europaweite Hagel- und Blitz-Klimatologie mitentwickelt. Sie bildet eine wichtige Grundlage für Menschen, die Bauwerke erstellen oder Bauwerke versichern, aber auch für die Agrarwirtschaft. Andererseits untersuche ich in meiner Forschung zur Klimaökonomie, wie klimatische Veränderungen und Luftverschmutzung wirtschaftliche Entscheidungen, öffentliche Finanzen und politische Massnahmen beeinflussen. Damit helfe ich Unternehmen und Institutionen, Klimarisiken besser zu quantifizieren, wirtschaftlich einzuordnen und vorausschauend zu handeln.
Was hat dein Interesse am Klima geweckt?
Ich bin im Norden von Chile aufgewachsen, wo es fast nie regnet. Der Süden des Landes ist hingegen grün und regenreich. Das hat mich neugierig gemacht: Warum ist das so? Was geschieht da in der Atmosphäre? Dann habe ich festgestellt, dass nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Landflächen und die Ozeane damit zu tun haben. Diese Neugier für solche Themen habe ich heute noch. Ich hätte damals aber nie damit gerechnet, dass ich mal den Doktor in dieser Disziplin machen und in der Schweiz landen werde!
Weshalb bist du denn in der Schweiz gelandet?
Ich durfte hier Ende 2015 eine fünfmonatige Weiterbildung absolvieren. Und dann habe ich meinen heutigen Mann Bernhard kennengelernt. Als meine Weiterbildung zu Ende ging, bin ich zunächst nach Chile zurückgekehrt. Etwa sechs Wochen später kam ich wieder in die Schweiz, nachdem ich hier eine Stelle gefunden und den Prozess der eingetragenen Partnerschaft begonnen hatte.
Die kurze Version deiner Antwort: wegen der Liebe!
(lacht) Die Liebe ist an allem schuld!
Habt ihr den Aufnahmeprozess für network gleichzeitig durchlaufen?
Ja, aber unabhängig voneinander und mit unterschiedlichen Göttis. So konnten wir uns gegenseitig von unseren individuellen Erfahrungen berichten. Wir fühlen uns wohl in der Regionalgruppe Zürich – es ist wie eine grosse, wachsende Familie.
Was machst du sonst in deiner Freizeit?
Sport ist für mich seit vielen Jahren ein wichtiger Ausgleich. Ich schwimme zwei- bis dreimal pro Woche, betreibe Indoor-Cycling und gehe ins Fitness. Ausserdem koche ich gerne, meist ohne Rezept.
Aha, «Freestyle Cooking».
Genau! Meine Inspiration dazu hole ich mir gerne beim Restaurantbesuch.
Gehen wir zum Schluss nochmals zurück zum Klima: Welche Entwicklungen bereiten dir global gesehen die grössten Sorgen?
Die Zunahme der extremen Wetterlagen habe ich erwartet, das überrascht mich nicht. Grosse Sorgen macht mir hingegen, wie schlecht wir darauf vorbereitet sind. Wir alle legen zu wenig Wert auf unsere Zukunft.