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Lektüre 7.1.16

5 Bücher, die man gelesen haben sollte

Wenn es abends früh eindunkelt und die Temperaturen winterlich-kalt sind, dann wird das weiche Sofa in der warmen Stube zu einem der einladendsten Orte überhaupt. Vor allem, wenn man sich beim Couchvergnügen ein gutes Buch zu Gemüte führen und in fremde Welten abdriften kann. Die folgenden Bücher – einige davon Klassiker, einige davon neuere Publikationen – seien gerade dem schwulen Mann wärmstens empfohlen. Tee kochen oder Rotwein entkorken, Decke bereitlegen und Handy ausschalten. Es kann losgehen.

 

Armistead Maupin, «Stadtgeschichten» (1978)

Die Erzählungen der Romanreihe «Stadtgeschichten» (Originaltitel «Tales of the City») von Armistead Maupin beginnen im San Francisco der 1970er-Jahre und begleiten die Protagonisten bis in die Zeit nach 2000. Die Hauptcharaktere verkörpern die gesamte Bandbreite menschlicher Vielfalt. Die Themen, um die sich die Handlungsstränge drehen, sind dementsprechend weitgefächert: Kinder und Karriere, Beziehungsknatsch, Homo- und Bisexualität, Transgender, AIDS oder gar das Leben des Sektenführers Jim Jones.

Ans (schwule) Herz wächst ganz besonders die Person des homosexuellen Michael Tolliver. Am Anfang ist er ein gutaussehender Jüngling, der sich in der Partyszene San Franciscos die Nächte um die Ohren schlägt. Auf der einen Seite ist er unbeschwert, geniesst das Leben. Auf der anderen Seite sehnt er sich nach der grossen Liebe, dem Einen, der ihn in schützende Arme schliesst. Gegen Ende der neunteiligen Buchserie ist Michael dann ein gesetzter Mann, der mit einem um einiges jüngeren Partner zusammenlebt. Dieses Szenario nutzt der Autor, um Themen wie offene Beziehungen oder das Älterwerden zu behandeln.

Die «Stadtgeschichten»-Serie unterhält besser als jede TV-Serie und schafft es, zu berühren.

 

Oscar Wilde, «De Profundis» (1895-1897)

«De Profundis» ist ein Brief, den der gefeierte irische Schriftsteller Oscar Wilde an seinen ehemaligen Liebhaber Lord Alfred Douglas schrieb. Wilde verfasste das Schriftstück während seiner Inhaftierung in englischen Gefängnissen. Für die Vornahme homosexueller Handlungen war Wilde 1895 wegen «Unzucht» zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Brief reflektiert Wilde unter anderem sein bisweilen hedonistisches Leben: «Die Begierde war schließlich eine Krankheit oder Wahnsinn oder beides. Ich kümmerte mich nicht mehr um das Leben andrer. Ich vergnügte mich, wo es mir beliebte, und schritt weiter. Ich vergaß, daß jede kleine Handlung des Alltags den Charakter prägt oder zerstört … Ich verlor die Herrschaft über mich. Ich war nicht mehr der Steuermann meiner Seele und wußte es nicht. Ich ließ mich vom Vergnügen knechten. Ich endete in greulicher Schande. Jetzt bleibt mir nur eins: völlige Demut.»

Der Brief gibt tiefe Einblicke in das Seelenleben und die faszinierende Gedankenwelt des Literaten. Er zeigt zum einen dessen Verletzlichkeit und Verletztheit. Zum anderen ist er auch eine Abrechnung mit der Person des Lord Douglas. Darüber hinaus beschreibt Wilde seine Haftbedingungen oder teilt seine Ansichten zu Themen wie Religion, Moral und Gesellschaft mit.

Édouard Louis, «Das Ende von Eddy» (2014)

In seinem autobiografischen Roman «Das Ende von Eddy» berichtet der 23-jährige Franzose Edouard Louis von seinen Kindheits- und Jugenderfahrungen in der nordfranzösischen Provinz Picardie, wo er in ärmsten, patriarchalen Verhältnissen aufwächst. Er schildert sein Leben in einem Umfeld, das von Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und einem tiefen Bildungsniveau geprägt ist. Der schwule Eddy geht durch die Hölle. Von seiner Mutter wird er vernachlässigt, sein Vater, ein arbeitsloser Fabrikarbeiter, will einen «echten Kerl» aus ihm machen. Schulkameraden lauern ihm täglich auf, verprügeln, bespucken, misshandeln ihn. In einem Interview sagt es Edouard Louis so: «Ich beschreibe die Gewalt an meiner Schule, dass man mich als <Schwuchtel> beschimpfte oder mich zusammenschlug. Ich beschreibe die Gewalt in meiner Familie. Mein Vater, der mich als Schande für die Familie bezeichnete oder mich andauernd fragte, weshalb ich mich wie eine Frau bewegte oder so komisch ginge. Ich wusste nicht, weshalb ich so war, weshalb ich als anders wahrgenommen wurde als meine Mitmenschen.» Schliesslich zieht Eddy nach Paris, um zu studieren. Endlich kann er fliehen, ist frei.

Der Roman lässt keinen kalt, immer wieder schmerzt das Gelesene. Letztes Jahr erschien das Buch in Frankreich, landete ganz oben auf der Bestsellerliste und sorgte für einen Skandal. Das Land zeigte sich schockiert über den gewalttätigen Alltag in der Picardie, Journalisten suchten Eddys Familie auf. Der Schreibstil von Edouard Louis wurde von Literaturkritikern gelobt, das Buch machte den jungen Schriftsteller zur literarischen Sensation. In Frankreich erscheint demnächst sein zweites Buch.

Margaret Mazzantini, «Herrlichkeit» (2013)

Zwei Knaben wachsen in Rom im gleichen Palazzo auf. Guido, Sohn wohlhabender Eltern, lebt in den oberen Stockwerken, Costantino, der Sohn des Hausmeisterpaares, im Souterrain. Ihre Herkunft unterscheidet sich, dennoch sind ihre Leben ineinander verzahnt. Auf einer gemeinsamen Klassenfahrt erleben die zwei eine rauschhafte Zeit und verlieben sich ineinander. Es ist eine Liebe, welche die beiden bis ins hohe Erwachsenenalter verbindet. An einer Stelle des Buches sagt Ich-Erzähler Guido: «Ich stelle mir ein sanftes Leben vor, unseres, als Paar. Sich bei der Hand nehmen, anhalten, um ein paar Lebensmittel einzukaufen, auf die Nacht warten. Ich will mich nie wieder trennen müssen. Es ist absurd, das zu tun.» Es ist aber auch eine scheinbar unmögliche Liebe: Zu stark sind die sozialen Konventionen, welche die Männer beinahe zeitlebens gefangen halten.

«Herrlichkeit», der Roman der italienischen Schriftstellerin Margaret Mazzantini, ist ein ebenso mitreissendes wie oftmals trauriges und nachdenklich stimmendes Buch. Der Leser leidet mit Guido und Costantino mit. Er wird Zeuge einer tiefen und aufrichtigen gegenseitigen Zuneigung, die auf dem Altar sinnloser Regeln einer patriarchalen Gesellschaft geopfert wird. Der Leser muss miterleben, wie die Protagonisten wertvolle Lebenszeit verschwenden und bis zum Ende bleibt die grosse Frage: Finden die zwei endlich ihr Glück?

Einziger Wehrmutstropfen für die französischsprachigen Leser: «Herrlichkeit» (Originaltitel: «Splendore») wurde bis anhin noch nicht ins Französische übersetzt.

Patricia Nell Warren, «Der Langstreckenläufer» (1974)

In den USA der 1970er-Jahre: Der Ex-Marine Harlan Brown arbeitet als Sport-Coach an einem kleinen College. Seinen Traum, olympische Athleten zu trainieren, hat er aufgegeben – aus Furcht, dass eine solche Position zu viel Aufmerksamkeit auf sein Privatleben ziehen könnte. Das ist das letzte, was Harlan will, denn er ist schwul. Eine Tatsache, die er versteckt. Sein Leben verändert sich drastisch, als er unverhofft die Chance erhält, drei talentierte junge Männer zu trainieren. Diese wurden aus einem prestigeträchtigen Sportcollege geworfen, weil sie homosexuell sind. Einer der drei Läufer ist der 22-jährige Billy Sive. Unter Browns hartem Training entwickelt sich dieser nicht nur zu einem der besten Läufer des Landes und damit zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die olympischen Favoriten, zwischen ihm und Brown entwickelt sich auch eine Liebesbeziehung. Als Gerüchte um diese Beziehung laut werden, beginnt für die beiden ein Kampf gegen die Vorurteile und Moralvorstellungen jener Zeit. Ein schwuler Olympia-Teilnehmer? Für Sportfunktionäre und die Presse undenkbar.

Verfasst wurde «Der Langstreckenläufer» (Originaltitel: The Frontrunner) von der lesbischen US-amerikanischen Autorin Patricia Nell Warren. Die Zeitung «New York Times» nannte den Roman die «bewegendste und monumentalste Liebesgeschichte, die je über schwules Leben geschrieben wurde». Bis zum Jahr 2006 verkaufte sich das Buch über zehn Millionen Mal, es wurde in neun Sprachen übersetzt.

 

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