Nationalrat 31.3.17
Kein Aktionsplan zum LGBTI-Diskriminierungsschutz

Mitte März stimmte der Nationalrat über zwei LGBTI-relevante Geschäfte ab – mit durchzogenem Ergebnis.
Der Nationalrat befand im vergangenen Monat gleich über zwei Vorlagen mit LGBTI-Bezug. Am 15. März stand eine Motion zur Diskussion, die im vergangenen August von der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen eingereicht worden war. Die Motion verlangte, dass der Bundesrat einen konkreten Aktionsplan für einen Diskriminierungsschutz für nach wie vor bedrängte Minderheiten in der Schweiz ausarbeite. Dieser Plan sollte sich dabei auf den Bericht des Bundesrats zum «Postulat Naef» stützen, das vor rund fünf Jahren von SP-Nationalrat und Networker Martin Naef eingereicht worden war. In diesem Bericht berief sich der Bundesrat auf eine Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR), die mehrere Empfehlungen zur Frage enthielt, wie der Diskriminierungsschutz für LGBTI-Personen und andere Minderheiten verbessert werden sollte. In seinem Bericht erklärte der Bundesrat, welche dieser Empfehlungen er vertieft prüfen möchte, und welche er nicht weiterverfolgen werde. «Mit dieser Motion», ist in der Begründung zur Vorlage zu lesen, «wird der Bundesrat aufgefordert, die in seinen Augen sinnvollen Empfehlungen des SKMR in konkrete Vorschläge umzusetzen und diese in einen allgemeinen Aktionsplan zur Verbesserung des Justizzugangs diskriminierter Menschen aufzunehmen.»
«Zweigleisigkeit» verhindern
Nun steht fest, dass dieser Aktionsplan nicht erarbeitet wird. In einer äusserst knappen Abstimmung versenkten die Nationalräte und Nationalrätinnen die Motion – mit 91 zu 91 Stimmen und Stichentscheid des Ratspräsidenten. «Grund für das Nein dürfte nicht zuletzt die Tatsache sein, dass der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfahl», erklärt Hans-Peter Fricker, Leiter der Politischen Kommission von Network (PoKo). Bereits im Oktober hatte die Landesregierung wie folgt zum Geschäft Stellung genommen: «Die Motion verlangt einen Aktionsplan, der sich auf die vom Bundesrat bereits zur vertieften Prüfung akzeptierten Empfehlungen des SKMR beschränkt. Damit würde ein solcher Aktionsplan nicht unbedingt zusätzlichen Nutzen bringen.» Es war dies ein Punkt, den Justizministerin Simonetta Sommaruga in ihrem Votum vom 15. März noch einmal ausdrücklich hervorhob: «Der Bundesrat weist darauf hin, dass wir die Empfehlungen in bestimmten Bereichen bereits zum Teil in laufenden Projekten näher anschauen und dass es aus diesem Grund keinen Sinn macht, jetzt noch einen übergeordneten Aktionsplan dazu zu machen. Wir sind der Meinung, dass es so schneller und effizienter geht.» Sie betone es noch einmal, fuhr die Justizministerin fort, der Bundesrat sehe Handlungsbedarf und er habe die entsprechenden Felder bereits aufgezeigt. Er lehne die Motion nicht ab, «weil wir materielle Differenzen haben, sondern weil wir ein anderes, effizienteres Vorgehen wählen möchten», so Sommaruga.
Abwarten und genau beobachten
Dieses Votum hat gemäss der Einschätzung von Hans-Peter sicherlich zur knappen Ablehnung beigetragen. «Ich habe nach der Abstimmung mit mehr als einer Nationalrätin gesprochen, die Nein gestimmt hat», so der PoKo-Leiter. «Sie erklärten mir, sie hätten ja die Bestätigung gehabt, dass der Bundesrat bereits vieles unternehme, um die Rechtslage von Minderheiten zu verbessern. Deshalb waren sie der Ansicht, ein Aktionsplan sei nicht nötig.» Nun gelte es, wachsam zu bleiben und genau zu beobachten, ob der Bundesrat seine Versprechen einlöst und die erkannten Lücken im Rechtsschutz von LGBTI-Menschen innert vernünftiger Frist schliesst. «Es liegt jetzt an der Landesregierung zu beweisen, dass sie die im Bericht genannten Anliegen ernst nimmt und den Diskriminierungsschutz auch ohne die konkreten Vorgaben eines Aktionsplans verbessert», so Hans-Peter. Komme der Bundesrat dieser Verantwortung nicht nach, dann müsse das entsprechende gesetzgeberische Handeln mittels einzelner Vorstösse erneut und mit Nachdruck eingefordert werden. «Wir bleiben dran, so viel steht fest.»
Positives Signal
Erfreulicher war das Resultat der Abstimmung, die zwei Tage später im Zusammenhang mit der Parlamentarischen Initiative «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» stattfand. Die Initiative wurde vor vier Jahren von SP-Nationalrat Mathias Reynard eingereicht und zielt darauf ab, das öffentliche Aufrufen zu homophob motiviertem Hass künftig unter Strafe zu stellen. Deshalb soll die bestehende Bestimmung des Strafgesetzbuches zum Kampf gegen die Rassendiskriminierung dahingehend erweitert werden, dass auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verboten wird. In ihren Grundsätzen wurde die Vorlage bereits angenommen, nun muss die Rechtskommission des Nationalrats einen konkreten Gesetzesentwurf formulieren. Die Abstimmung vom 17. März drehte sich um die Frage, ob die Frist zur Erarbeitung dieses konkreten Normtextes um zwei Jahre verlängert werden sollte – eine Frage, die mit 126 zu 49 Stimmen mit einem klaren Ja beantwortet wurde. «Es handelt sich zwar noch nicht um einen materiellen Endentscheid», kommentiert Hans-Peter Fricker das positive Ergebnis. «Es ist aber ein gutes Zeichen, dass die Fristverlängerung derart deutlich angenommen wurde. Ohne sie wäre die Initiative von Mathias Reynard abgeschrieben worden, das heisst sie wäre von der Traktandenliste des Nationalrats verschwunden.»
Text: Markus Stehle
Bild: Parlamentsdienste