Network wollte vom Tessiner Regionalleiter Patrick Perret-Gentil erfahren, wie es im Tessin um die LGBT-Community steht und was die Pride in Lugano für den Kanton bedeutet.
Patrick ist Regionalleiter, Mitbegründer der Regionalgruppe der italienischen Schweiz und geistiger Vater der Pride 2018 in Lugano. Ihm gehört der letzte verbliebene Treffpunkt für Schwule im Tessin: die Sauna Gothic in Lugano.
Patrick, wer steht alles hinter der Organisation der Pride?
Sagen wir es so: Geburtshelferin war die Gründung unserer Regionalgruppe, die seit Anbeginn die nötigen Kontakte suchte und pflegte. Dies erlaubte einen Zusammenschluss von ImbarcoImmediato, Zonaprotettae und einigen Mitgliedern von Network, die nun gemeinsam diesen Anlass organisieren. Ebenfalls wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Lugano. Als Verantwortlicher für das Sponsoring kann ich nur betonen, wie schwierig die Finanzierung sich gestaltet. Wer unsere Website besucht, findet dort unsere IBAN-Nummer. Jede Spende – und sei sie noch so klein – ist wichtig für uns. Ferner kann man sich da auch über unser Tun informieren.
Warum ist die Pride so wichtig für das Tessin?
Ein paar Tage nach der Entscheidung des Stadtrates von Lugano, die Pride hier willkommen zu heissen, wollten einige CVP-Gemeinderäte mehr Informationen über die Kosten und andere Details wissen. Dies war ein Vorwand, um die Stadträte – die zuvor einstimmig für die Pride gestimmt haben – wieder umzustimmen. Dies hatte eine Debatte zwischen einer CVP-Gemeinderätin und Stadtrat Roberto Badaracco am italienischsprachigen Fernsehen zur Folge. Badaracco sagte: „Unsere Stadt ist modern und möchte darum auch mal „seine“ Pride durchführen.“ Die Wichtigkeit einer Tessiner Ausgabe der Pride ähnelt sich derjenigen anderer Regionen: Es geht um die öffentliche Debatte, die sowohl die Konservativen wie auch die Mitglieder der LGBT-Community aus den Schatten lockt. Das fördert die Sichtbarkeit und hilft den Jungen, ihre Sexualität zu akzeptieren und die Stereotypen zu bekämpfen. Es gibt hier zwar wenige homophobe (Gewalt-)akte, aber sie sind präsent. Wie zum Beispiel während einer der letzten Kampagnen von LoveLife, die mit beleidigenden Graffiti verschmiert wurden.
Wie lebt es sich denn als Community-Mitglied im Tessin?
Das Fehlen einer Bar, eines Clubs, Diskothek oder anderen Begegnungslokale auf dem ganzen Kantonsgebiet macht es bestimmt nicht einfach. Die Ausnahmen sind einzig die Sauna in Lugano und die Spezialanlässe, die ab und zu von ImbarcoImmediato organisiert werden. Die Nähe zu Mailand und die guten Zugverbindungen nach Zürich sind gute Alternativen und blockieren gleichzeitig, dass Neues entstehen kann. Viele Homosexuelle leben hier noch versteckt.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Übersetzung: Michel Bossart