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Steven Epprecht im Interview 7.5.25

«Schönheit ist zum Glück nicht alles»

Steven Epprecht
Mit Business-Knowhow und Gespür für Trends hat sich Steven selbst zur Marke gemacht (Foto: Fabio Martin, PKZ)

Networker Steven Epprecht ist Unternehmer und einer der Top-Influencer der Schweiz. Er spricht über seinen Werdegang, Authentizität, Selbstvermarktung und Oben-ohne-Fotos.

Steven, ist es nicht furchtbar stressig, wenn du dir dauernd etwas für Social Media ausdenken musst?
Doch, da ist schon ein wenig Druck spürbar! Viele sehen nur die schönen Seiten dieses Jobs und nicht den Aufwand dahinter. Meine Follower haben schliesslich gewisse Erwartungen, die ich erfüllen muss. Ich war gerade in Dubai im Urlaub – eine perfekte Gelegenheit für spannenden, inspirierenden Content, den ich auch mal gut für ein paar Tage im Voraus einplanen kann.

Findest du es problematisch, dass Jugendliche denselben Druck spüren und wegen Social Media das Gefühl haben, sie müssten ein aufregendes und glanzvolles Leben führen?
Früher hatten wir die Musikidole und Hollywoodstars: Wir eiferten ihnen zwar nach, doch uns war immer bewusst, dass sie unerreichbar blieben. Heute kann ohne Weiteres der Freund oder der Nachbar im Internet eine kleine Berühmtheit werden. Jugendliche stehen dadurch tatsächlich mehr unter Druck, und das ist ein Problem. Ich zeige deshalb immer wieder bewusst auch meinen ganz normalen, unspektakulären Alltag.

Dein erster Auftritt im Rampenlicht war im Finale zum Mister Schweiz 2012, wo du Vierter geworden bist. Da es die letzte Wahl war, darfst du dich jetzt für immer amtierender Vize-Vize-Vize-Mister nennen.
Ja, toll … (lacht)

Hast du positive Erinnerungen an die Zeit?
Ich war damals als Sieger der «Uniboys» – also quasi als «schönster Student» – automatisch fürs Finale qualifiziert. Model zu werden, war schon als Teenager mein Traum und die Mister-Schweiz-Wahl war dafür natürlich das perfekte Sprungbrett. Hier lernte man auch die Leute aus der Branche kennen. Aber ich habe so getan, als stünde ich auf Frauen.

War für Schwule die Teilnahme nicht sogar verboten?
Ich glaube nicht, dass es ein richtiges Verbot gab; eher ein inoffizieller Erwartungsdruck, sich zumindest öffentlich heterosexuell zu geben.

Ist das Zeitalter der Missen und Mister vorbei?
Ich denke schon.

Was sind die Gründe dafür?
Wettbewerbe, bei denen es nur noch um Schönheit geht, entsprechen nicht dem heutigen Mindset. Und mit Social-Media-Plattformen braucht es sie auch nicht mehr als Sprungbrett.

Du hast dann dein Studium der Betriebsökonomie abgeschlossen und später deinen Job bei einer Bank aufgegeben, um voll auf deinen Traum zu setzen. Ist eine Karriere als Model und Influencer planbar?
Es muss einiges zusammenpassen, auch Glück gehört dazu. Damals war der Zeitpunkt richtig: Ich hatte meine Ausbildung als Plan B, zugleich war ich in meinem Job wenig motiviert. Es hätte schiefgehen können. Aber wenn es darum geht, den Lebenstraum zu verwirklichen, darf ruhig etwas Risiko dabei sein. Ich glaube, diesbezüglich sind wir in der Schweiz oft zu vorsichtig. Wer allerdings nur aus finanziellem Anreiz Influencer werden will, wird ziemlich sicher keinen Erfolg haben.

Hat dir dein Studium geholfen?
Ja, Kenntnisse über strategisches Management und Marketing helfen einem schon früh weiter.

Du hast dich selbst als Marke aufgebaut. Was ist da der grösste Unterschied zum Corporate Branding?
Es ist natürlich persönlicher. Ich bin noch überlegter in dem, was ich sage und mache. Will ich für dieses Produkt wirklich werben? Welche Auswirkungen hätte diese Kampagne?

«Sex sells» gehört offensichtlich auch zu deiner Strategie. Was denkst du: In wie vielen der letzten hundert Posts bist du oben ohne zu sehen?
Vierzig?

Das stimmt genau!
Wirklich? Ich postete solche Bilder allerdings auch, als ich etwas zugenommen hatte und meine Follower auf meinen Weg zurück zu einer schlankeren Figur mitnehmen wollte. Mir geht es darum, einen gesunden Lifestyle zu promoten. Ich nutze auch keine Filter oder irgendwelche Apps, die mich muskulöser machen …

Was gehört für dich sonst noch zu einem authentischen Auftritt auf Social Media?
Dass ich lukrative Werbedeals ablehne, wenn sie nicht zu mir und meinen Überzeugungen passen. Ich bewerbe nur Produkte, von denen ich selbst überzeugt bin. Und in meinem Fall bedeutet Authentizität auch, offen zu zeigen, dass ich schwul bin.

Steven Epprecht
Steven (rechts) mit Freund Marcos Ruiz (Foto: Instagram)

Vor deinem öffentlichen Coming-out während des Zurich Pride Festivals 2021 hattest du einige Bedenken.
Ich wusste nicht, ob es geschäftlich negative Konsequenzen haben könnte. Oder wie sich die Wahrnehmung meiner Follower verändern würde. Werden sie nun alle erdenklichen Schwulenklischees auf mich übertragen? Aber ich hatte damals ja bereits mein Business und damit ein zweites Standbein, falls es mit meiner Influencer- und Model-Karriere tatsächlich abwärts gegangen wäre.

Du hast nämlich 2020 zusammen mit Sara Leutenegger «Social Leaders» gegründet. Was macht ihr da genau?
Wir bieten Firmen und Marken Social Media aus einer Hand – von der Strategie bis zur Content-Produktion. Im Bereich Influencer-Marketing vermitteln wir passende Influencer, um Produkte oder Dienstleistungen zu pushen. Zudem organisieren wir PR- und Influencer-Events. Mittlerweile sind wir neun Mitarbeitende.

Seit etwas mehr als zwei Jahren bist du network-Mitglied. Was hat dich dazu motiviert?
Der ehemalige Präsi Markus Berger hat mich auf den Verein aufmerksam gemacht. Ich finde es toll, was network gesellschaftlich und politisch bewegt. Leider kann ich aus zeitlichen Gründen nicht so oft an den Anlässen teilnehmen, wie ich es gerne würde.

Mittlerweile gehst du mit deiner sexuellen Orientierung sehr offen um. Gibt es online manchmal auch unschöne Kommentare dazu?
Leider kommt das vor. Es gibt zum Beispiel eine internationale Kampagne, in der ich meinen Freund kurz küsse – da findest du viele «Kotz-Emojis» in den Kommentaren. Normalerweise beschäftigt mich das nicht und ich ignoriere Hassbotschaften ganz einfach.

Schlüpfen auch mal unmoralische Angebote in die Direktnachrichten? Quasi das Gegenteil von Hass …
Ja, und die nehme ich natürlich alle an! (lacht) Nein. Das ist manchmal schon bisschen schockierend. Ich mache es so wie mit den beleidigenden Nachrichten: einfach nicht beachten.

Noch etwas Tiefgang zum Schluss: Hast du Angst vor dem Altern? Vor dem körperlichen Zerfall?
«Körperlicher Zerfall», wie das klingt.

Ich meine, unsereins hat ja nicht viel zu verlieren – aber du als Model!
Ich habe da kein grosses Problem. Ich sehe das ziemlich nüchtern: Schönheit vergeht und Schönheit ist zum Glück nicht alles im Leben. Geistig und körperlich gut zu altern, ist aber natürlich viel wert.

Würdest du ästhetische Behandlungen in Betracht ziehen?
Ich habe schon mal Baby-Botox ausprobiert. Eine Haartransplantation würde ich für die Zukunft nicht völlig ausschliessen. Operative Eingriffe wie Fett absaugen oder liften werde ich aber ganz sicher nie machen lassen. Fängt man mal damit an, hört man nicht mehr auf. Und das ist dann nicht mehr schön.

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