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Kunst 4.5.16

Aufbruch in die Freiheit

Mitte April führte der Luzerner Künstler Tino Steinemann über 30 Networker durch seine Bilderausstellung «Ragazzi Di Vita». Diese ist eine Hommage an die Schönheit, die Liebe und den Drang nach Selbstbestimmung.

«Die Männerwelt und ihre Ästhetik haben mich in meiner künstlerischen Tätigkeit schon immer interessiert und beschäftigt», sagt der Innerschweizer Networker Tino Steinemann. An den verschiedensten Orten der Welt hat er über einen Zeitraum von vierzig Jahren diverse Männer porträtiert – sei es in kleinen Skizzen, sei es in grossen Bildern. Aus diesem Fundus hat der 70-Jährige über 100 Werke ausgewählt und die Ausstellung «Ragazzi Di Vita» zusammengestellt. Diese war vom 20. März bis 18. April in der «Gallery Box» in Zürich zu sehen, den Networkern brachte sie Tino am 12. April im Rahmen einer Führung näher. «Über 30 Vereinsmitglieder nahmen am Anlass teil», sagt Tino. «Es war ein wunderbarer Abend.»

Pasolini als Inspirationsquelle

Tino Steinemanns Werke zum Titel «Ragazzi di Vita» sind eine Hommage an das gleichnamige Buch von Pier Paolo Pasolini. Mit dem Kunstschaffen des homosexuellen italienischen Filmregisseurs und Dichters kam Tino Anfang der 70er-Jahre in Kontakt. Damals war er, kurz nach seinem Studienabschluss an der Kunstgewerbeschule Luzern, nach Mailand gezogen. «Dort hatte sich die internationale Designszene etabliert», erklärt Tino, «und ich konnte mir als visueller Gestalter mein Brot verdienen.» Der Aufenthalt in Mailand eröffnete ihm eine neue Welt. Eine Welt der Oper, der Kunst, der Literatur und der Filme. Vor allem Pasolini sei gerade sehr aktuell gewesen und im Mailand jener Tage sei geschehen, was der Schriftsteller in seinem Buch «Ragazzi di Vita» beschrieben hatte. «Im Buch geht es darum, dass junge Männer vom Land nach Rom ziehen, um den Fesseln ihrer katholisch-konservativen Kinderstuben zu entfliehen», so Tino. In Mailand beobachtete er dasselbe Phänomen: Junge Designer aus England oder Japan strömten in die Stadt, und auch viele Italiener kamen, um «mehr Freiheiten zu haben und dem katholischen Familienbund zu entfliehen.»

Ein universelles Phänomen

Aufbrechen, wegziehen, in die Ferne schweifen – es ist ein Thema, das Tino Steinemann seit seinen Kindheitstagen prägt. Sein Umzug nach Mailand war der Startschuss für zahlreiche Reisen. Vor allem urbane Ballungszentren faszinieren ihn, er besuchte Metropolen wie Mexico-City oder Rio de Janeiro, Bangkok, Kuala Lumpur oder Jakarta. Und überall dasselbe Prinzip: Junge Männer, die aus beengenden Situationen ausbrechen, um selbstbestimmt leben zu können. Diesen Männern näherte sich Tino immer wieder auf künstlerische Art und Weise, indem er sie porträtierte.

Schaffensreiche Zeit

Besonders viele der Bilder entstanden in Barcelona. Ende der 80er-Jahre war Tino Steinemann in die katalonische Küstenmetropole gezogen, wo er während den nächsten 20 Jahren ein Malatelier unterhielt. Nicht weit von seiner Wohnung florierte die Schwulenszene, in der Tino zahlreiche Motive für seine Porträts fand. Auch mit den Tänzern des Opernhauses verband ihn nach kurzer Zeit eine Freundschaft. «Nachdem ich einen von ihnen porträtiert hatte, wollten sich alle anderen ebenfalls zeichnen lassen», sagt der Luzerner Künstler und lacht. In seiner Barcelona-Zeit experimentierte er auch mit den verschiedensten Techniken – so wurden die «Ragazzi» etwa in Aquarell- oder Acrylmalereien, aber auch in Kohle- oder Bleistiftzeichnungen festgehalten.

Erfreulicher Abschluss

Tino Steinemann freut sich, dass er seine Kunst noch einmal im grösseren Rahmen präsentieren konnte. «Es ist nicht ganz einfach, Bilder mit einer solchen Thematik zu zeigen», erklärt er. Manche Galeristen würden sich etwas davor fürchten, weil das Ganze sehr schnell in die Schwulenecke geschoben werde. «Deshalb war diese Ausstellung umso schöner.»

Text: Markus Stehle

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