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Ehe für alle 5.11.21

Bilanz eines Abstimmungssonntags: Spektakulär

Daniel Stolz freut sich besonders
Daniel Stolz freut sich besonders

Ende September hat das Schweizer Stimmvolk und alle Kantone Ja zur Ehe für alle gesagt. Co-Präsident des Abstimmungskomitees war Daniel Stolz. Ein Blick zurück, in die Gegenwart und in die Zukunft.

Daniel, bist du froh, ist die Abstimmung und der Abstimmungskampf vorbei?
Ehrlich gesagt: Ja. Ich hatte ja schon viel politische Erfahrungen gesammelt und wusste, dass ich mich auf keinen einfachen «Job» eingelassen hatte. Trotzdem ist es wohl gut, dass man im Vorfeld nicht immer weiss, was alles auf einen zukommen wird.

Wie schätzt du den Ja-Stimmenanteil ein: zufriedenstellend, gut oder hätte besser sein können?
64 Prozent Ja-Stimmen, das ist ein sehr gutes Ergebnis. Noch besser ist es aber, dass alle Kantone Ja zur Ehe für alle gesagt haben. Das ist spektakulär. Einfach nur geil. Vor allem für diejenigen von uns, die in einem Kanton leben, in dem die Ausgangslage vielleicht weniger komfortabel war, wie beispielsweise für mich in Basel-Stadt.

Wann dürfen nun zwei Männer oder zwei Frauen offiziell heiraten und was passiert mit den eingetragenen Partnerschaften?
Ab Juli 2022 können wir heiraten. Ab dann wird es nicht mehr möglich sein, eine Partnerschaft eintragen zu lassen. Aber vielleicht kommt ja bald die eingetragene Partnerschaft für alle. Alle bestehenden eingetragenen Partnerschaft bleiben natürlich gültig.

Für diese Abstimmung haben sich die LGB-Vereine in einem Abstimmungskomitee vereint. Was waren die Vorteile eines gemeinsamen Abstimmungskampfes und gab es allenfalls auch Nachteile?
Die Vorteile sind klar: Das Zusammenlegen der (finanziellen) Ressourcen und das ziemlich – zumindest in der Öffentlichkeit – geeinte Auftreten der Trägerorganisationen. So war es nämlich dem politischen Gegner nicht möglich, uns gegeneinander auszuspielen. Als kleiner Nachteil könnte man nennen, dass man sich nicht genau gleich mit einer Kampagne identifiziert, wenn es nicht die eigne ist. Doch alles in allem sehe ich darin weniger Nachteile, sondern eher Erschwernisse. Die Trägerorganisationen sind sehr unterschiedlich und haben auch unterschiedliche Interessen. Diese auch nur halbwegs auf eine Linie zu bringen: Blut, Schweiss und Tränen (lacht). Okay, ganz so schlimm war es dann doch wieder nicht, aber fast.

Kannst du etwas zu den Zahlen sagen? Wie «teuer» kam die Ehe für alle für die Community? Und welchen finanziellen Beitrag hat Network geleistet?
Wir haben die Endabrechnung noch nicht fertiggestellt. Insgesamt wird der Kampagnenverein gut 1.5 Millionen Franken ausgegeben haben. Ehrenamtliches Engagement wie beispielsweise die Vorstandsarbeit ist da noch gar nicht mit hineingerechnet. Auch ist dabei nicht berücksichtigt, was die offiziellen regionalen Komitees ausgeben haben. Oder dass wir von Network ja auch in den Regionen mit Aktivitäten am Start waren. Ein Beispiel waren die sehr erfolgreichen und sympathischen Videobotschaften. Abgesehen vom Startbeitrag, den alle Trägerorganisationen in unterschiedlicher Höhe geleistet haben, hat Network zusätzlich 35’000 Franken aus dem Fonds Max gesprochen. Dazu kam eine Grossspende von 50’000 Franken eines Networkers und das Sammelergebnis von ebenfalls rund 50’000 Franken aus den Spendenaufrufen des Vorstands. Als Co-Präsident weiss ich, dass viele Networker direkt dem Kampagnenverein gespendet haben. Und darum: Ein herzliches Merci an alle, die gespendet haben und/oder sich sonst engagiert haben.

Sind mit der Ehe für alle nun alle rechtlichen Ungerechtigkeiten für Lesben und Schwule beseitigt? Oder gibt es bereits nächste politische Vorstösse?
Eine Pendenz aus der Ehe-für-alle-Vorlage ist die Ungleichbehandlung von lesbischen gegenüber heterosexuellen Paaren bei der Samenspende. Dies sollte im Zuge der Überarbeitung des Abstammungsrechtes bereinigt werden. Selbstverständlich gibt es weitere gesellschaftliche und politische Anliegen. An der Retraite haben wir Networker das intensiv diskutiert. Stichworte sind Hassverbrechen (hate crimes), Konversationstherapien oder das Blutspendeverbot. Und vielleicht sollten wir, die gerade einen grossen Erfolg errungen haben und denen es gut geht, nicht vergessen, dass es vielen Schwulen auf der Welt besch… geht. Da muss man nicht mal auf den Iran oder Tschetschenien zeigen. Es recht schon, seinen Blick nach Polen oder Ungarn zu richten.

Text: Michel Bossart

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