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Kulturpreis 2018 10.6.18

«Ich habe einen ziemlich schrägen Humor»

Yannick Lambelet ist ein 32-jähriger Künstler aus La Chaux-de-Fonds. Für seine Arbeit «Pure and horny, just like an unicorn, but allergic to horses» hat er den Network Kulturpreis 2018 gewonnen, der ihm am 7. Juli im Kunst(zeug)Haus Rapperswil übergeben werden wird. Wir haben mit ihm über seine Kunst gesprochen.

Yannick, herzliche Gratulation zum Gewinn des Network Kulturpreises. Was ging dir als erstes durch den Kopf, als du erfahren hast, dass du gewonnen hast?
Als ich erfuhr, dass ich den Preis gewonnen hatte, habe ich gerade mit einem Freund Tee getrunken. Ich dachte, ich hätte wohl besser einen Mojito bestellen sollen.

Du hast deine Werke schon auf der ganzen Welt ausgestellt. Hast du auch schon ähnliche Preise gewonnen?
Ich hatte schon mehrfach das Glück, als Residenz-Künstler ins Ausland zu reisen und meine Kunst dort auszustellen. So wurde ich beispielsweise vom Kanton Neuenburg unterstützt, der mich während sechs Monaten nach Paris schickte. Von La Chaux-de-Fonds erhielt ich ein sechsmonatiges Stipendium für Buenos Aires. Auch Dank privater Stiftungen habe ich schon in Finnland, Dänemark und Island gelebt und gearbeitet. Aber das ist das erste Mal, dass ich einen so wichtigen Preis gewonnen habe. Er würdigt mein Schaffen und ist nicht für ein Forschungs- oder Ausstellungsprojekt gedacht. Dieser Network Kulturpreis hat darum einen besonderen Wert für mich, das ist wunderbar.

Der Preis ist mit 15’000 Franken dotiert. Was machst du mit diesem Geld?
Ich wollte schon immer mal öffentliches Geld verwenden, um ins Ausland zu gehen, dort viele Escorts zu buchen und mich à la «Pretty Woman» zu verlieben. Dann würde ich darüber ein Buch schreiben: «Interview mit einer Meerjungfrau». Da dies aber ein privater Preis ist, werde ich das Geld in «Soda Mosa» investieren. Das ist ein Projekt in La Chaux-de-Fonds, eine Mischung aus Atelier und Residenz. Einen Teil des Preisgeldes lege ich auf die Seite, um mir in zwei bis drei Jahren ein Atelier in Brüssel einzurichten. Mittelfristig möchte ich Teil einer internationaleren und etwas dynamischeren Kunstszene sein.

Deine Bewerbung trug den Titel «Pure and horny, just like a unicorn, but allergic to horses». Erkläre bitte, was damit gemeint ist.
Es ist erstens ein Satz, der mich ziemlich gut definiert. Ich bin ein netter Junge, der Sex mag. Ich habe ein Einhorn auf dem Unterarm tätowiert, und ich bin wirklich allergisch auf Pferde.
Das Einhorn ist ein immer wiederkehrendes Thema in meiner Arbeit, genauso wie autobiografische Elemente. In diesem Titel spiele ich mit dem Wort «horny», das die doppelte Bedeutung hat, ein «Horn zu haben» und «geil zu sein». Und da das Einhorn für Reinheit steht, fand ich es interessant, es mit einem anderen, sexuelleren Bild zu kontrastieren. Dies ist ein Prozess, den ich in meiner Arbeit häufig nutze, um abweichende Bilder miteinander zu konfrontieren und so eine gewisse Spannung zu erzeugen und unterschiedliche Lesarten und Interpretationen anzubieten.
Zweitens will ich Gott dafür danken, schwul und nicht hetero zu sein. Das auf Pferde allergische Einhorn ist ein Bild, eine Idee, die Banalität und die Normalität nicht zu ertragen. Ein Kampf gegen die Strömung und die Erwartung anderer Menschen. Das ist die Richtung, die ich in meinem persönlichen Leben und in meiner künstlerischen Arbeit gewählt habe. Ich habe mich übrigens zum Malen entschieden, als Malen noch als etwas Überholtes, Altmodisches galt. Besonders in meiner Schule, wo der Malunterricht von geometrischer Abstraktion dominiert wurde.

In welches Genre passt deine Kunst?
Ich mache figurative Malerei, für mich muss ein Bild seine Zeit widerspiegeln. Mit meiner Arbeit experimentiere ich mit den Problemen des Bildkonsums der Generation Y, der Digital Natives). Es ist diese Generation, die mit Computern und Videospielen geboren wurde – zu dieser gehöre ich auch­. Wir erlebten die Revolution des Internets und den Einfluss sozialer Netzwerke. Der Computer wird zu einem wichtigen Werkzeug bei der Herstellung von Bildern. Er ist ein Filter auf die Bilder; eine Erweiterung des Ateliers und in meinem Fall, der Ort, wo der ganze kreative Teil Gestalt annimmt. Alle meine Bilder sind Photoshop-Neuzusammenstellungen, die auf Bildern basieren, die ich im Internet gestohlen habe. Das kann man «Wiederaneignung» oder «Bildpiraterie» nennen. Und indem ich mich vom Web auf die Leinwand bewege, verorte ich meine Arbeit in den Bereich der Post-Internet-Kunst. Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr in Richtung Digital, und ich versuche durch meine Arbeit, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen der realen und der virtuellen Welt zu zerbrechen.

Du sagst, du seist ein schwuler Künstler, der in einer Familie von Zeugen Jehovas aufgewachsen ist. Welchen Einfluss hat Religion auf deine Kunst?­
Der Einfluss der Religion ist allgegenwärtig in meiner Arbeit. Als ich aufwuchs, hörte ich, dass das Ende der Welt morgen eintreffen könnte, dass es bestimmte Bedingungen geben würde, um das Paradies zu betreten, und dass ein Mann, der mit einem Mann schläft, eine abscheuliche Sache sei. Das hat natürlich Nachwirkungen auf mich und erzeugt eine Obsession und Dualität in mir. Ich bin begeistert vom Ende der Welt, den post-apokalyptischen Landschaften, der Zombie-Figur, dem Garten Eden, der Unsterblichkeit und der Sexualität. Das sind alles wiederkehrende Themen meiner Arbeit sind. Als ich in Buenos Aires war, habe ich über die Stadt Epecuen geforscht, die von einem Salzwassersee verschlungen wurde. Sie erinnerte mich an verschiedene biblische Geschichten, wie zum Beispiel die Sintflut, die Zerstörung von Sodom und Gomorra oder die Frau von Lot, die in eine Salzstatue verwandelt wurde, aus der dann eine persönliche Ausstellung im Zentrum für zeitgenössische Kunst in La Chaux-de-Fonds hervorging. Ich bin froh, diese Erfahrung unter den Zeugen Jehovas gemacht zu haben, mich davon befreit, eine Aussenperspektive und dabei keinerlei Ressentiments zu haben.

Deine Bilder sind teilweise sehr explizit. Möchtest du mit deiner Kunst provozieren?
Meiner Meinung nach ist die Provokation subjektiv. Jeder nimmt sie wahr, wie er will. Und da ich keine leicht zu schockierende Person bin, fällt es mir schwer zu erkennen, wenn meine Bilder beunruhigend sind. In der Malerei suche ich vor allem die Frische und füge ein wenig Humor und Sarkasmus hinzu. Und wenn das einige Leute stören sollte, komme ich nicht darum herum, ein kleines Lächeln der Befriedigung auf den Mundwinkel zu haben. Ich hasse alle Formen der Zensur und das politisch Inkorrekte bringt mich zum Lachen. Ich habe einen ziemlich schrägen Humor und ich versuche mich mit und bei meiner Arbeit zu amüsieren. Ich denke, solange sie nicht zu plump und augenfällig ist, erlaubt es die Provokation, sich freier und distanzierter auszudrücken. Auf jeden Fall ermöglicht sie, Fragen zur Meinungsfreiheit zu stellen, denn diese Freiheit ist für mich essenziell.

Interview: Michel Bossart

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