Im Fokus 12.9.22
«Psychische Probleme sind heute zum Glück weniger tabu»

Andrei Morar ist seit Mai 2022 Mitglied der Regionalgruppe Bern. Als politisch interessierter Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie sucht der 33-Jährige die Schnittstelle von LGBTI-Engagement und dem Gesundheitswesen.
Andrei, wie hast du zu Network gefunden?
Als ich 2017 aus Rumänien in die Schweiz kam und hier anfing, als Arzt zu arbeiten, machte mich ein Berufskollege und Networker auf den Verein aufmerksam. Damals wohnte ich jedoch im Berner Jura, was geografisch gesehen nicht ganz optimal war für das Vereinsleben. Seit zwei Jahren aber lebe ich in der Stadt Bern und habe somit kürzere Wege. Mein erster Anlass als Interessent war dann, glaube ich, ein Film-Event. Ich weiss noch, dass ich mich dort sehr wohl gefühlt habe und mit allen Anwesenden gute Gespräche führen durfte.
Auf deinem Profil im Intranet gibst du gleich mehrere Kommissionen an, die dich interessieren würden: Was wäre denn so deine Wunschaufgabe bei Network?
Da ich aus dem Gesundheitswesen komme und gleichzeitig politisch interessiert bin, wären Themen, in denen diese beiden Bereiche eine Rolle spielen, natürlich optimal. Der aktuelle Diskurs um die Affenpocken beispielsweise beschäftigt mich sehr. Bereits verfestigt sich nämlich das Vorurteil, dass sich nur Schwule damit infizieren würden. Gegen eine solche Stigmatisierung müssen wir früh ankämpfen.
Du bist ja stellvertretender Leiter einer Tagesklinik für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Hast du dort die Auswirkungen der Corona-Pandemie gespürt?
Ja, wir hatten zu Beginn der Pandemie sehr viele Menschen, die sich selber bei uns angemeldet haben, weil es ihnen schlecht ging. Wir führten damals auch zusätzlich Sitzungen per Telefon oder Videoanruf durch. Es kam bis anhin nicht so häufig vor, dass sich die Betroffenen selbst meldeten; früher waren es öfter die Familie, die Freund:innen oder die Hausärzt:innen. Ausserdem fällt auf, dass es viele junge Menschen sind.
Geht es den Jungen heute generell psychisch schlechter als früher?
Ich würde diesen Anstieg bei den jungen Patient:innen nicht so negativ interpretieren. Psychische Probleme sind zum Glück mittlerweile kein grosses Tabu mehr und man kann offener darüber sprechen. Ich glaube deshalb vielmehr, dass junge Menschen heute weniger Hemmungen haben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – und das ist ja an sich etwas Positives.
Was unternimmst du, wenn du dich gerade nicht mit deiner Arbeit beschäftigst?
Ich reise sehr gerne. Ich stamme aus Rumänien und besuche dort von Zeit zu Zeit meine Familie. Mein liebstes Urlaubsziel ist Rio de Janeiro, wo ich ein einjähriges Praktikum absolviert hatte und heute noch viele Freunde habe.
Brasilien ist als Feriendestination nicht ganz ungefährlich…
Das stimmt, mir ist aber bis jetzt nie etwas geschehen. Ich passe immer gut auf und laufe nicht wie ein Tourist im Hawaiihemd durch die Gegend.
Gibt es Flecken auf dem Globus, die erst noch von dir entdeckt werden müssen?
Südamerika kenne ich bereits ziemlich gut, aber in Asien war ich noch nie. Mich würden Länder wie Japan oder Südkorea reizen.
Interview: Silvan Hess