Das Kunsthaus Zürich ordnet die Bührle-Sammlung mit Fokus auf die jüdischen Vorbesitzer:innen neu ein – und erntet wieder Kritik. network Zürich machte sich ein Bild der umstrittenen Ausstellung.
Es war eine ziemliche Ohrfeige für das Kunsthaus Zürich: Wenige Wochen vor Eröffnung der Neupräsentation der Sammlung Bührle trat das eigens für die Ausstellung geschaffene wissenschaftliche Gremium zurück. Der Grund: Der Fokus liege zu sehr auf Bührle und schaue an den verfolgten und enteigneten Sammlern vorbei. Die Kritik an der Art der Präsentation von Kunstwerken mit fragwürdiger Provenienz findet also noch immer kein Ende. Ist der Vorwurf des Gremiums berechtigt? Das wollte network Zürich am 29. November auf einer Führung vor Ort selbst beurteilen.
Provenienz im Fokus
Das medial diskutierte Thema lockte interessierte Mitglieder aus mehreren Regionen nach Zürich: Der Anlass war auf 20 Personen begrenzt und schnell ausgebucht; es waren neben den Zürchern auch Vereinsfreunde aus Basel und Bern angereist.
Organisator Urs Lanter kann die neueste Kritik nicht nachvollziehen. Letztes Jahr besuchte network Zürich in zwei Teilen die erste Präsentation der Bührle-Sammlung – die Unterschiede in der Herangehensweise seien unverkennbar. «Es wird nun aktiv aufgeklärt und grossen Wert auf die Provenienz sowie die Biografien der jüdischen Sammler gelegt.» Diesen gibt man zudem mit Fotos erstmals ein Gesicht.
Bedenkliche «Schnäppchenjagd»
Ein wichtiger Raum der Ausstellung widmet sich Gemälden, die einst von den Nazis beschlagnahmt wurden. Auch Werke, die in Drittländern von geflüchteten Sammlern notgedrungen verkauft wurden, finden darin Platz. Waffenfabrikant Emil G. Bührle, der ab 1940 nur noch an die Achsenmächte lieferte und dank den Kriegsgräueln zum reichsten Schweizer wurde, nutzte die Notlage der Flüchtenden für eine bedenkliche «Schnäppchenjagd».
Juristisch wie ethisch ist diese Angelegenheit hochkomplex. «Haben die Erb:innen Anspruch auf die Bilder, weil sie in einer Zwangslage verkauft wurden? Darüber wird wohl nie ganz Konsens herrschen», so Urs.
Der unabhängige Historiker Raphael Gross hat den Auftrag erhalten, die Provenienzforschung der Stiftung Sammlung E. G. Bührle zu begutachten. Man erwartet seinen Bericht im kommenden Sommer. Basierend auf seinen Erkenntnissen soll die Ausstellung aktualisiert werden.
Ikonische Bilder
Aber die Führung verrutschte nicht vollständig in diese Provenienz-Metaebene: Da waren ja auch noch die Bilder selbst – einige von ihnen zählen zu den berühmtesten Werken der Kunstgeschichte. Urs war besonders beeindruckt von Paul Cézannes «Knaben mit der roten Weste», der bekanntlich 2008 gestohlen worden war und vier Jahre später in Belgrad wieder auftauchte.
Auch «La Petite Irène» von Auguste Renoir hat es Urs angetan. Das Meisterwerk des Impressionismus nimmt den gesamten ersten Raum der Ausstellung ein. «Das sind starke, ikonische Bilder, denen man ansieht, dass der Künstler sich in eine neue, noch unerforschte Richtung gewagt hat», sagt Urs.
Abschluss in der Kunsthausbar
Die äusserst lebendige 60-minütige Führung sei von einer grossartigen Kunstvermittlerin gestaltet worden. Bei den anschliessenden Fragen der Networker habe sie nochmals ihre ganze Kompetenz und ihr Hintergrundwissen unter Beweis stellen können. Viele aus der Gruppe verweilten dann noch ein wenig in der Kunsthausbar, wo die Ausstellung, aber auch private Themen diskutiert wurden.
«Das Kunsthaus Zürich macht das richtig», kommt Urs zum Schluss. «Man muss der Öffentlichkeit transparent zeigen, woher die Exponate stammen.» Er hofft nun aber, dass man sich nach dieser Ausstellung wieder vermehrt der Kunst selbst widmen könne.