HIV im Wandel 18.7.25
Vier Jahrzehnte Solidarität und Aufklärung

Networker Andreas von Rosen, langjähriger Vizepräsident der Aids-Hilfe Schweiz, blickt auf die Erfolge der nationalen Dachorganisation – und auf das, was noch zu tun bleibt.
Vor 40 Jahren war die Infektion mit dem HI-Virus ein Todesurteil. Noch elf lange Jahre würde es bis zur ersten wirksamen Therapie dauern – ein medizinischer Durchbruch, der für Millionen Menschen zu spät kam. Schon damals war klar, dass es sich um eine sexuell übertragbare Krankheit handelt, dass Kondome vor der Übertragung schützen. Und schon damals wurden Menschen, die sich mit der «Schwulenseuche» angesteckt hatten, stigmatisiert.
In diesem Klima der Angst und Ausgrenzung gründeten schwule Organisationen mit Unterstützung des Bundesamtes für Gesundheit am 2. Juni 1985 in Zürich die Aids-Hilfe Schweiz. Es war eine Initiative, getragen von Solidarität, Selbsthilfe und dem Willen, sich aus der Ohnmacht zu befreien. Die Gründer-Gruppen machten es sich zur Aufgabe, die Gesellschaft aufzuklären, Erkrankte zu unterstützen und deren Ausgrenzung zu verhindern.
«Diskriminierung an der Tagesordnung»
40 Jahre später verbindet die Aids-Hilfe Schweiz Menschen mit HIV, Fachstellen, Politik und Behörden – und stärkt als führendes Kompetenzzentrum das Wissen und die Prävention rund um HIV und andere STIs.
Heute führen Menschen mit HIV ein ebenso langes und gesundes Leben wie Menschen ohne HIV. Eine wirksame antiretrovirale Therapie unterdrückt die Vermehrung des Virus so stark, dass es nicht übertragbar und im Blut nicht mehr nachweisbar ist.
«Auch wenn sich die Situation für Personen, die mit HIV leben, aus medizinischer Sicht stark verbessert hat, sind Diskriminierung und Stigmatisierung weiterhin an der Tagesordnung.» Das sagt der Zürcher Networker Andreas von Rosen, der im Juni nach acht Jahren Engagement als Vizepräsident der Aids-Hilfe Schweiz aus dem Vorstand zurückgetreten ist.
Viele Kernaufgaben der Aids-Hilfe seien noch dieselben wie vor 40 Jahren. Die grössten Veränderungen würde die Ausweitung der Arbeit auf alle Aspekte der sexuellen Gesundheit und alle STIs darstellen. «Ausserdem ist der Einbezug sämtlicher vulnerablen Gruppen über den Kreis der Schwulen hinaus ein wichtiger Fortschritt», sagt Andreas. So sprechen neue Kampagnen vermehrt auch Frauen, Sexarbeiter:innen, trans und nicht-binäre Menschen an.
Gräben überwunden
Als Andreas im Vorstand der Aids-Hilfe Schweiz anfing, befand sich die Organisation gerade im Umbruch. Zwischen den Mitgliedsverbänden, der verkleinerten Geschäftsstelle und dem Vorstand kriselte es – besonders der Röstigraben sei sehr tief gewesen.
«Dass wir es geschafft haben, dies zu überwinden, Vertrauen auf alle Seiten aufzubauen und eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen, freut mich besonders», sagt Andreas. Zu den gemeinsamen Erfolgen zählt er auch das «Positive Life Advisory Board». Dabei handelt es sich um ein 2023 gegründetes Beratungsgremium der Aids-Hilfe, das aus Menschen mit HIV besteht. (Mehr dazu hier: www.positive-life.ch)
Würdige Geburtstagsfeier
Am 13. Juni 2025 wurde das 40-jährige Bestehen mit einer interdisziplinären Fachtagung und einem grossen Jubiläumsfest im Landesmuseum Zürich gefeiert. Vor Ort waren Bundesrat Beat Jans, BAG-Direktorin Anne Lévy und zahlreiche weitere Gäste aus Politik, Kultur, Wissenschaft und der Community. Ein fröhliches Fest, das aber auch Raum für emotionale Rückblicke auf die Anfänge bot.
Für Andreas ist klar: «Auch wenn die Ansteckungszahlen hoffentlich bald gegen Null tendieren, werden Menschen, die mit HIV leben, auch in Zukunft unsere Unterstützung brauchen.» Und es werden neue Herausforderungen auf uns zukommen: Viele Menschen mit HIV erreichen heute ein höheres Alter und haben eine ähnliche Lebenserwartung wie HIV-negative Personen. Pflegeeinrichtungen seien jedoch oft noch unzureichend auf ihre Bedürfnisse vorbereitet. «Hier besteht dringender Handlungsbedarf», warnt Andreas. Die Aids-Hilfe habe dafür bereits eine Arbeitsgruppe lanciert, Massnahme und Produkte seien am Entstehen.