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«Kweer Café & Bar» 11.8.22

Der Networker und das Erbe des «Barfüssers»

Das Viererteam von Kweer Cafe & Bar v. l. n. r.: Samuel Rensing
Das Viererteam von Kweer Cafe & Bar v. l. n. r.: Samuel Rensing

Am Standort der legendären Zürcher «Barfüsser-Bar» entsteht ein neues LGBTI-Lokal. Zu den vier Initianten von «Kweer» gehört auch Networker Marco Uhlig.

Dass der «Barfüsser» tatsächlich die erste Schwulenbar Europas war, konnte nie abschliessend verifiziert werden. Woran es allerdings keine Zweifel gibt: Er war die legendärste Schwulenbar der Schweiz. Ein geschichtsträchtiger Ort für die Community, wo sich vor 66 Jahren mit Ernst Ostertag und Röbi Rapp das wohl berühmteste Männerpaar der Schweiz kennen gelernt hatte.

Zäsur im Niederdorf
Auch Networker Marco Uhlig, der nur ein paar Schritte davon entfernt seinen Club Heaven führt, hat viele gute Erinnerungen an den Barfüsser. Er fand dort jeweils interessierte Abnehmer für seine Flyer, als sein Party-Label «Boyahkasha!» noch in den Anfängen steckte. «Es war eigentlich jedes Mal voll und es waren immer tolle Leute da», erinnert sich Marco. Er habe dort oft das Wochenende verbracht, Freunde getroffen, gefeiert.

Als im vergangenen Jahr der Mietvertrag nicht mehr verlängert wurde und die Stadt Zürich den Namen «Barfüsser» an einen neuen Standort weiterziehen liess, war Marco deshalb enttäuscht. Nachdem der Barfüsser vor 15 Jahren zur Sushi-Bar umgestaltet wurde, ging der direkte LGBTI-Bezug zwar bereits verloren. Dennoch stellte das Verschwinden des Namens «Barfüsser» von der Spitalgasse 14 im Niederdorf eine neue Zäsur dar.

Marcos grosser Wunsch war, dass der Standort wieder queer wird – ein Safe Space für die Community. Als das Lokal von der Stadt ausgeschrieben wurde, machte er deshalb all seine Gastrokolleg:innen darauf aufmerksam mit der unmissverständlichen Aufforderung: «Ergreift die Chance und macht dort bitte etwas.» Auch wenn sich die Stadt als Vermieterin gemäss ihrer Ausschreibung explizit queere Bewerbungen wünschte, hatte Marco Angst, es könnte am Ende «irgendein Schuhladen oder so» das Rennen machen.

Aufwendige Bewerbung
Gastro-Unternehmer Samuel Rensing habe dann zu Marco die entscheidenden Worte gesagt: Wenn er wolle, dass das Lokal queer bleibe, dann müsse er die Sache selber anpacken. «Wir haben lange miteinander gesprochen und festgestellt, dass wir beide die gleiche Vision für das Lokal haben», so Marco.

Sie holten Christian Forrer und Benedikt Hess, die Gründer von ViCAFE mit eigener Rösterei und 11 Espresso-Bars, ins Boot. Gemeinsam entwarfen sie auf 34 Seiten das Konzept eines queeren Cafés, das sich abends in eine Bar verwandelt. Unterstützung für die Idee gab es sogar von Network-Ehrenmitglied Ernst Ostertag, der ein Empfehlungsschreiben verfasste. Das Konzept überzeugte schliesslich auch die Stadt. «Kweer Café & Bar» setzte sich gegen Dutzende andere Bewerbungen durch.

Ziemlich queer
Momentan sind die Umbauarbeiten in vollem Gang. Marco ist von der Zusammenarbeit mit den Leuten der Stadt begeistert: «Man spürt, dass sie wirklich ein tolles Lokal ermöglichen wollen und dass ihnen der LGBTI-Bezug am Herzen liegt.»

Die Verbindung zur LGBTI-Community wolle man dann mit der Einrichtung allerdings nicht zu sehr betonen. Schliesslich sollen sich alle gleichermassen willkommen fühlen: queere Menschen ebenso wie Student:innen, Tourist:innen und Nachbar:innen. Dies spiegelt sich auch im Namen wider: «Kweer» klingt ziemlich «queer» – aber eben nicht ganz.

Bei den Umbauarbeiten gab es bereits die eine oder andere Herausforderung. Ausserdem musste das Viererteam die Eröffnung wegen Lieferengpässen von September auf Anfang Oktober verschieben. Er sei jedoch so euphorisch bei der Sache, dass er solche Unannehmlichkeiten locker wegstecke, versichert Marco. Kein Wunder, denn schliesslich darf er nun selbst die Geschichte dieses legendären Standorts im Zürcher Niederdorf weiterschreiben.

Text: Silvan Hess

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