Der dritte Träger des network Preises ist gefunden: Die Networker wählten mit dem schwulen Schwinger Curdin Orlik einen starken LGBTI-Botschafter in der heteronormativen Welt des Spitzensports.
Als Schwinger ist sich Curdin Orlik gewohnt, im Sägemehl Gänge für sich zu entscheiden. Doch für einmal gewann der 30-jährige Bündner keinen Schlussgang, sondern einen Wahlgang: Mit etwas mehr als 55 % der Stimmen setzte sich Curdin deutlich gegen die beiden anderen network Preis-Kandidaten durch. Das QueerUp Radio erreichte exakt 25, der Verein Mythengay knapp 20 % aller Stimmen. Insgesamt haben 276 Networker von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht; acht Personen konnten nicht abstimmen, da der Link über SurveyMonkey nicht zustellbar war.
«Homosexualität normalisieren»
Als «historisch» bezeichneten die Medien Curdins Coming-out vor genau drei Jahren. Er ist tatsächlich der erste Spitzensportler des Landes, der diesen Schritt gewagt hat – und das notabene in der wohl schweizerischsten aller Sportarten. «Dieser Schritt gibt mir die Möglichkeit, offen und frei zu leben und mich nicht länger verstecken zu müssen», schrieb Curdin damals auf seinem Facebook-Account.
Doch die Strahlkraft dieses Coming-outs geht weit über Curdins eigene Person hinaus: Es ermutigt andere LGBTI-Athlet:innen, ihre wahre Identität offen zu leben. Curdin ist Vorreiter und Vorbild zugleich. Und er ist sich dieser Rolle bewusst: Im vergangenen Jahr unterzeichnete er in Bern eine Deklaration für mehr Inklusion und Diversität und sagte, dass er «Homosexualität im Sport normalisieren» wolle.
Preisübergabe an EuroGames?
«Historisch» ist auch einiges an der Art und Weise wie Curdin Orlik den network Preis gewonnen hat – wenn auch die Historie dieses Preises freilich nicht ganz so weit zurückgeht wie diejenige des Schwingsports. Dennoch ist erwähnenswert, dass noch nie ein Nominierter so viele Stimmen erhalten und das absolute Mehr erreicht hat. Und er ist die erste Einzelperson, die den mit 10’000 Franken dotierten Preis erhält; die beiden bisherigen Preisträger sind das ABQ-Schulprojekt (2021) und Queeramnesty (2022). Bei Ihrer Wahl gab es jeweils vier Nominierte, diesmal waren es drei.
Nicht zuletzt war auch die Stimmbeteiligung mit 52,1 % so hoch wie noch nie zuvor. Im Jahr 2021 lag sie bei 49,2 und 2022 bei 51,3 %. Diese kontinuierliche Steigerung freut natürlich Vorstandsmitglied Jan Scharf aus der Preiskommission. «Das zeigt, dass sich der Preis in seiner jetzigen Form bei den Networkern etabliert hat», sagt Jan. «Es ist eine demokratische Wahl mit einem tollen Ergebnis.»
Er freue sich, dass im Jahr der Berner EuroGames ein geouteter Sportler das Rennen gemacht habe. Möglicherweise werde die Preisübergabe sogar im Rahmen dieses sportlichen LGBTI-Grossereignisses stattfinden – immerhin ist Curdin Orlik auch offizieller Botschafter der EuroGames.
Text: Silvan Hess