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Im Fokus 4.12.23

«Mich bringt nicht mehr jede Kleinig­keit auf die Palme»

Daniel Frey
Daniel Frey (Bild: zVg)

Daniel Frey ist neues Mitglied von network Bern. Der Typografische Gestalter spricht im Interview übers Älterwerden, seinen Blog und den Jahreswechsel.

Daniel, du bist Co-Präsident von queerAlternBern. Weshalb braucht es diesen neugegründeten Verein?
Vor über 50 Jahren lernten in der Schweiz mit der Gründung von «Homosexuellen Arbeitsgruppen» queere Menschen den sogenannten «aufrechten Gang». Heute sind diese Vorkämpfer:innen 70 und älter und befürchten, in Alterseinrichtungen nicht nur die Selbstbestimmung zu verlieren, sondern sich auch wieder verstecken zu müssen. Diese Angst – dieses Misstrauen – gegenüber der Gesellschaft hat sich ins kollektive Gedächtnis queerer Menschen eingebrannt. Deshalb sollten sich ältere LGBTI selbstbewusst in der Gesellschaft zeigen, wie das die «Milchjugend» vormacht. Für queere Menschen ist zudem die Familie oft nicht die biologische Familie, sondern eben die Community. Dieses Familiengefühl wird queerAlternBern stärken.

In Zürich gibt es dank queerAltern bald Alterswohnungen für queere Senior:innen. Ein Konzept für Bern?
In welche Richtung sich der Verein entwickelt, steht noch in den Sternen. Wichtig ist, dass er «Altern» als Prozess versteht und nicht als Kategorie. Ich selber lebe seit über 40 Jahren allein. Mir sind die eigenen vier Wände wichtig, ich kann mir nicht vorstellen, in eine WG zu ziehen. Doch ich finde queere Wohnprojekte, wo mehrere Generationen zusammenleben und sich unterstützen, spannend. So könnte ich mir vielleicht meinen Kinderwunsch als «Grossvater» doch noch erfüllen.

In Zürich gibts auch ein vom Verein mitgestaltetes Regenbogengrabfeld für queere Menschen.
Diese Idee fand ich zuerst irritierend. Doch wenn ich sehe, wie sich etwa hier in Bern der Bremgartenfriedhof entwickelt, finde ich es gar nicht mehr so schlecht. Hier sind ein Café sowie ein Restaurant geplant und es gibt immer mehr Themengräber. Da wäre doch ein queeres Themengrab als Ort, wo sich queere Hinterbliebene begegnen, toll. Der Tod gehört zum Leben und über ihn zu sprechen, ist wichtig.

Du bist ja schon sehr lange für die Community und neu auch in der Politik aktiv. Kannst du uns darüber etwas erzählen?
Zuerst habe ich mich für den legendären Ursus Club engagiert, dann für GAYRADIO (heute QueerUpRadio) auf Radio RaBe und natürlich für hab queer bern. Meine Überzeugung war schon immer: Solange wir nicht gleichgestellt sind, ist meine sexuelle Orientierung politisch und ich bin somit ein politischer Mensch. Als langjähriger SP-Sympathisant bin ich nach der Gründung der SP queer nun tatsächlich auch SP-Mitglied geworden. Inzwischen hat sich allerdings eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Ich finde, dass in der Politik besonders Diskussionen über Parteigrenzen hinweg wichtig sind. Leider stehen aber zu oft die Standpunkte der eigenen Partei im Vordergrund.

Wo stehen LGBTI-Menschen in der Schweiz heute?
Die heteronormative Gesellschaft in der Schweiz hat gelernt, dass es auch andere Beziehungsformen als nur zwischen einem Mann und einer Frau gibt. Dass es aber mehr als nur zwei Geschlechter und nebst cis Menschen auch trans Menschen gibt, ist in der breiten Gesellschaft noch nicht angekommen und stösst dort auf Ablehnung.

Du bist auch fleissiger Blogger: Welche Themen behandelst du und wie schreibst du darüber?
Ich bin an einem Sonntag auf die Welt gekommen, bin also ein Sonntagskind. Doch es ist nicht «alle Tage Sonntag» und somit besteht das Leben für mich eben auch aus meinem (queeren) Alltag – darüber schreibe ich. Immer mit einer Portion Empörung über die heteronormative Gesellschaft. Etwa, wenn die Stadt Bern während der EuroGames die Social-Media-Kommentare schliessen muss, weil es wegen eines Fotos der mit Regenbogenfahnen geschmückten Altstadt zu diversen Hasskommentaren kam.

Apropos EuroGames: Die wären definitiv im network-Jahresrückblick 2023. Wenn wir deinen persönlichen Rückblick anschauen könnten, was für Bilder würden wir da sehen?
Das sind Bilder aus dem Diemtigtal, wo ich auch dieses Jahr auf einer Alp im Chalet «Lueg is Land» mit meinem Partner die Ferien verbracht habe. Aber auch Bilder von schmerzhaften Operationen und schwerertragbaren Chemotherapien in meinem engsten Umfeld.

Was bedeuten dir die Feiertage und der Jahreswechsel?
Eigentlich gehe ich diese Zeit jeweils phlegmatisch an. Kerzen anzünden, gut essen und Zeit mit Freund:innen und Familie verbringen kann ich auch in den anderen elf Monaten. Mich hat auch nie gestört, dass ich immer älter werde. Die Jugend war toll, aber auch das Alter hat seinen Reiz. Das Leben wird gemächlicher, mich bringt nicht mehr jede Kleinigkeit auf die Palme. Es wird mir allerdings langsam bewusst, dass die Pensionierung näherkommt und irgendwie der letzte Lebensabschnitt beginnt.

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