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Kunstmuseum Luzern 8.10.22

Network besucht David Hockney: Farbenfroh und ziemlich schwul

Exponate aus Raum 1 der Hockney-Ausstellung in Luzern (Bilder: Pressebilder Kunstmuseum Luzern)
Exponate aus Raum 1 der Hockney-Ausstellung in Luzern (Bilder: Pressebilder Kunstmuseum Luzern)

Das Kunstmuseum Luzern widmet dem britischen Künstler David Hockney die erste Retrospektive der Schweiz – Network war dabei.

David Hockney erfindet sich immer wieder neu, sein Fokus verweilt nie lange an Ort und Stelle. Deshalb heisst die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern, die dem wohl berühmtesten lebenden Künstler Grossbritanniens gewidmet ist, «Moving Focus». Es handelt sich dabei um die erste Schweizer Retrospektive zu Hockney. Sie deckt das Schaffen des mittlerweile 85-jährigen Malers und Grafikers zwischen 1954 und 2018 ab.

Frühes bis spätes Schaffen
Fast 30 Networker und Gäste folgten der Einladung der Regionalgruppe Innerschweiz und nahmen am 9. September gemeinsam an einer Museumsführung teil. Unter ihnen war auch Network-Mitglied und Textildesigner Andreas Hurr, der ein grosser Hockney-Fan ist und – angezogen von der lebensbejahenden Farbigkeit dessen Werke – extra aus Zürich angereist war.

Die Retrospektive gebe einen schönen Überblick über Hockneys frühes bis spätes Schaffen und beinhalte auch zahlreiche spannende Drucke und Grafiken, sagt Andreas. «Ich war erstaunt, wie es ihm schon als junger Mann gelang, eine eigene Bildsprache zu entwickeln und beizubehalten.» Diese Sprache habe er aber immer weiterentwickelt und dem Zeitgeist angepasst, so Andreas weiter. Wie modern David Hockney tatsächlich auch noch im hohen Alter sei, zeige unter anderem die Tatsache, dass er heute seine Bilder mit Vorliebe auf dem iPad male. Auch solche iPad-Bilder sind Teil der Luzerner Ausstellung.

Schwule Einflüsse
Hockneys Homosexualität spielt in seinem Werk eine sehr grosse Rolle und taucht bereits in den 60er-Jahren auf. Während des Besuchs in Luzern kam es in diesem Zusammenhang zu einem bemerkenswerten Moment, als sich die Networker eine Mappe mit Radierungen anschauten. Darin waren unter anderem zwei Männer zusammen in einem Bett und der eine oder andere männliche Akt zu sehen. Alles sehr dezent, nichts Obszönes. «Die Museumsführerin sagte uns, dass manche Besucher:innen etwas verstört reagieren und sich von den homoerotischen Radierungen abwenden würden», erzählt Andreas Hurr. «Das hat mich doch ein wenig verwundert.»

Wenn nackte Männer noch heute anscheinend so eine Reaktion auslösen, dürften Hockneys homosexuell angehauchte Werke das breite Publikum der 60er-Jahre eher noch mehr irritiert haben. «Dabei lässt er immer auch andere Interpretationen offen», sagt Andreas.

Da gibt es beispielsweise das Bild eines duschenden Mannes, auf dem im Vordergrund eine schwarze Pflanze und im Hintergrund ein anderes Zimmer zu sehen ist. Das sind für Andreas Möglichkeiten für die Betrachter:innen, sich mit ihren Blicken in andere Richtungen, weg vom nackten Mann, zu entfernen. «Das ist eines meiner Lieblingsbilder von ihm, weil es einfach ein ganz typischer Hockney ist», findet Andreas.

Ein anderer Höhepunkt der Ausstellung sei zweifellos das monumentale Landschaftsbild «Bigger Trees Near Warter Or /Ou Peinture Sur Le Motif Pour Le Nouvel Age Post-Photographique» aus dem Jahr 2007. Es besteht aus 50 Leinwänden und misst über 12 Meter.

Die Retrospektive «Moving Focus» in Luzern kann man sich noch bis zum 30. Oktober anschauen.


Network-Interessent Marc Fehlmann ist Kunsthistoriker, Museologe und derzeit Student in Wissenschaftsjournalismus an der MAZ in Luzern.

Marc, kannst du für uns David Hockney und sein Werk einordnen? Was zeichnet ihn aus, wofür ist er bekannt?
David Hockney ist ein Künstler, der in den letzten 70 Jahren seine visuelle Sprache, seine Arbeitsweisen und Techniken bis hin zu Computer-Zeichnungen und Photoshop immer wieder geändert hat, weil er sich intensiv mit der Frage nach dem Wesen der Kunst auseinandersetzt. Dabei hat er bildmächtige Werke geschaffen, die zu Ikonen der Postmoderne geworden sind. Zu ihnen gehören zum Beispiel seine kalifornischen Swimmingpool- und Splash-Bilder ebenso wie die späten Landschaften aus seiner Heimat Yorkshire. Diese Gemälde sind in ihrer Gegenständlichkeit und schrillen Farbigkeit extrem lebensbejahend und deshalb vermutlich auch so populär. Innerhalb der US-amerikanischen Popart behielt Hockney allerdings immer eine leise, britisch-provinzielle Selbstironie und Coolness. Dass er schliesslich 2019 nach 55 Jahren weg von Los Angeles in die Normandie umgezogen ist, weil er dort – im Gegensatz zu Kalifornien – rauchen darf, zeigt, dass er auch im hohen Alter jung geblieben ist.

Weshalb ist Hockney für die queere Community so wichtig?
Weil er eine Bilderwelt geschaffen hat, die Erfahrungen des schwulen, weissen Mannes während der 1960er- und 70er-Jahre nachvollziehbar machen. Vergessen wir nicht, dass Homosexualität in Grossbritannien bis 1967 illegal war und Hockney schon 1964, im Alter von 27 Jahren, nach Los Angeles ausgewandert ist. Hockney wollte sich nicht an das britische System anpassen, im Gegenteil: Er zelebrierte den Unterschied zwischen dem Gay Lifestyle Kaliforniens und seiner heteronormativ-konservativen Heimat. So hat er 1990 den von Königin Elisabeth II. angebotenen Ritterschlag abgelehnt. I don’t value prizes of any sort», sagte er, «I value my friends».

Was gefällt dir ganz persönlich an Hockney?
Ich finde Hockney einen grossartigen Künstler, weil er das alte platonische Bestreben nach dem idealen Bild in einer zeitgenössischen Formensprache betreibt. Das merkt man vor jeder seiner Landschaften, vor jedem Dackel-Bild, vor jedem nackten Mann hinter einem Duschvorhang. Zudem waren seine Werke und seine kernigen Statements Teil meiner Studienjahre in London.

Text: Silvan Hess

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