fbpx Aller au contenu principal

ApéroPlus in Bern 1.2.23

Schwulenhass in der Bibel? Ein neues Buch sucht Antworten

Josef Burri (Mitte) mit den Moderatoren des Abends Patrick Nemeshazy (links) und Markus Dinhobl (Bild: Network Bern)
Josef Burri (Mitte) mit den Moderatoren des Abends Patrick Nemeshazy (links) und Markus Dinhobl (Bild: Network Bern)

Theologe und Networker Josef Burri führte zahlreiche Gespräche mit LGBTI-Flüchtlingen. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er im Buch «Jakobs Fluch», das er nun am ApéroPlus in Bern vorgestellt hat.

Diskriminierung, Hass und Gewalt – für viele LGBTI-Menschen ist in der Heimat der Leidensdruck wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität so gross, dass sie sich auf eine lebensgefährliche Flucht begeben. Der Zürcher Networker Josef Burri hat für einen Dokumentarfilm gemeinsam mit Produzentin Elena Pedrazzoli und dem Regisseur Rolando Colla eine Reihe von Gesprächen mit homosexuellen Flüchtlingen in der Schweiz geführt.

Hass mit religiösem Fundament
Die Geschichte eines ugandischen LGBTI-Geflüchteten hat Josef besonders berührt, obschon vieles darin leider nichts Aussergewöhnliches ist: körperliche Verletzungen mit bleibenden Schäden, eine beinahe tödliche Flucht übers Mittelmeer und die Balkanroute, schliesslich die Ankunft in der Schweiz – verzweifelt und mittellos.

Inzwischen sei der Mann dabei, sein Trauma zu verarbeiten und mit dem B-Ausweis in der Schweizer Berufswelt Fuss zu fassen, erzählt Josef. «Besonders berührt hat mich, dass er Gott dankbar ist für die Rettung auf dem Meer und dass er seinen Häschern in Uganda verziehen hat.»

In den Gesprächen wurde deutlich, dass die Peiniger für ihre physischen und psychischen Angriffe religiöse Begründungen ins Zentrum stellen. Nicht nur Josef, sondern auch die LGBTI-Geflüchteten selbst fragten sich, ob die verbreitete Homophobie in ihren Ländern in Osteuropa, Afrika, Lateinamerika und im Nahen Osten tatsächlich aus der Bibel und dem Koran stammt. Diese Frage war die Ausgangslage für Josefs Buch.

Liebe und Gerechtigkeit
«Nach längeren Recherchen war die Antwort für mich klar und überraschend», sagt Josef. «Weder Bibel noch Koran kennen eine durchgehende oder grundlegende Verdammung von gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität.»

Es sei alles nur eine Frage der Interpretation und der ideologischen Fixierung der Leser:innen und Übersetzer:innen. «Erst mit der Abwertung der Sexualität ungefähr ab dem dritten Jahrhundert nach Christus setzten mehrere Wellen der Verfolgung ein», so Josef weiter. Die Bibel lege den Schwerpunkt auf ethische Werte wie Liebe und Gerechtigkeit – und kenne ausserdem mehrere gleichgeschlechtliche Liebespaare: Ruth und Noomi, David und Jonathan, Jesus und sein geliebter Jünger.

Reger Austausch unter den Gästen
Von all diesen Erfahrungen und Erkenntnissen erzählte Josef am 17. Januar im Rahmen des ApéroPlus im Gemeindehaus der Berner Pauluskirche. Die Buchpräsentation war bewusst nicht als Lesung konzipiert; vielmehr führten die beiden Moderatoren Markus Dinhobl und Patrick Nemeshazy von Network Bern ein Interview mit Josef über dessen Arbeit am Buch.

Nach diesem Gespräch hatten die 25 Gäste Gelegenheit, persönliche Erfahrungen zum Thema mit der Runde zu teilen. Auch am anschliessenden Apéro gab es einen regen Austausch unter den Anwesenden. Es war dabei ein häufig wiederkehrendes Grundmuster zu erkennen: Ein schwuler Mann, der christlich erzogen wurde, erfährt aufgrund seiner Homosexualität Ablehnung von der Kirche und gibt deswegen schliesslich den Austritt. Für Josef ist nun seit seinen Recherchen für «Jakobs Fluch» klar, dass diese Ablehnung nicht biblischen Ursprungs ist.

«Jakobs Fluch – Die Folgen von Bibel- und Korantexten für Homosexuelle» von Josef Burri erschien 2022 im Rex-Verlag Luzern. Weitere Informationen zum Buch gibt es hier.

Text: Silvan Hess 

Newsletter-Anmeldung