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Institute of Queer Studies 30.5.16

Starke Dynamik in der Schweizer LGBTI-Forschung

Alan David Sangines (Mitte) wurde mit dem NETWORK-LGBTI-Forschungspreis ausgezeichnet.
Alan David Sangines (Mitte) wurde mit dem NETWORK-LGBTI-Forschungspreis ausgezeichnet.

Ende Mai ging in Zürich die LGBTI-Forschungsnacht des «Institute of Queer Studies» über die Bühne. Dabei wurde erstmals auch der NETWORK-LGBTI-Forschungspreis verliehen.

Volle Publikumsränge, eine Fachjury und zehn wissenschaftliche Vorträge: Die LGBTI-Forschungsnacht des «Institute of Queer Studies» (IQS) war ein voller Erfolg. Nach der letztjährigen Premiere fand sie am 24. Mai bereits zum zweiten Mal statt und lockte rund 80 Zuschauerinnen und Zuschauer in die Räumlichkeiten der Uni Zürich. Die Forschungsnacht ist eine Vortragsreihe, in deren Rahmen Studierende sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler ihre aktuellen Projekte aus der LGBTI-Forschung präsentieren. Dabei kam es an der diesjährigen Auflage zu einer Premiere: Network vergab erstmalig einen Forschungspreis in der Höhe von 500 Franken. «Mit dieser Auszeichnung soll die wissenschaftliche Tätigkeit im LGBTI-Bereich vorangetrieben werden», erklärt Networker und IQS-Co-Projektleiter Jürg Koller. «So gewinnen wir in diesem Themengebiet vermehrt fundierte Kenntnisse.» Zudem soll der Öffentlichkeit aufgezeigt werden, dass in diesem Bereich durchaus geforscht werden kann.

Interdisziplinäre Jury

Für den Preis hatten sich zehn Kandidatinnen und Kandidaten beworben. In jeweils zehnminütigen Referaten stellten sie ihre Forschungsresultate vor. Die Fachjury des Abends, unter dem Vorsitz des Networkers Dr. Thomas Mindermann, bestand aus fünf Professoren und Lehrbeauftragen verschiedener Universitäten und Fachhochschulen und war interdisziplinär zusammengesetzt. So sassen sowohl Mediziner, Juristen und Pädagogen als auch Expertinnen aus den Fachbereichen Psychologie und Gender Studies auf der Jurorenbank.

Bunter Themenstrauss

Die allesamt gut präsentierten Bachelor- und Masterarbeiten decken eine grosse Bandbreite an LGBTI-Themen aus den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften ab. Während einer der Bewerber die Bedeutung der Inklusion von schwulen und lesbischen Mitarbeitenden in Schweizer Grossunternehmen evaluierte, nahm eine Masterabsolventin der Uni Genf die Besonderheiten und Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen lesbischen Frauen und Gynäkologinnen und Gynäkologen unter die Lupe. Ein anderes Projekt erforschte das Phänomen der homo- und transphoben Gewalt in der Deutschschweiz, während sich ein Student der Berner Fachhochschule in seiner Bachelorarbeit dem Thema Regenbogenfamilien widmete. Er untersuchte, ob Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern im schulischen Kontext mit besonderen Stigmatisierungen konfrontiert sind. Auch eine literaturwissenschaftliche Abhandlung war im Rennen: Die Masterarbeit «Homo Stiller» ging der Frage nach, ob die Hauptfigur in Max Frischs erstem Romanerfolg «Stiller» möglicherweise schwul war.

Zunehmende Bekanntheit

«Die Themenvielfalt sowie die Qualität der eingereichten Arbeiten waren bemerkenswert», sagt Networker und IQS-Co-Projektleiter Fabian Jenny. Im letzten Jahr sei es noch schwierig gewesen, Referentinnen und Referenten zu finden. «Teilweise mussten wir aktiv auf die Leute zugehen und sie zur Teilnahme motivieren.» Dieses Jahr seien hingegen viele interessante Bewerbungen eingetroffen. «Unterdessen kennt man das IQS und unsere Forschungsnacht, was uns sehr freut!»

Unumstrittener Sieger

Die Referate wurden mit langem Applaus gewürdigt, bevor sich die Jury zur Beratung zurückzog. Gleichzeitig konnten auch die Zuschauerinnen und Zuschauer mittels Stimmzettel ihre Bewertung abgeben. Das Endergebnis – hälftig zusammengesetzt aus dem Verdikt der Jury und dem Entscheid des Saalpublikums – war eindeutig: Sowohl die Zuhörerschaft als auch die Juroren wählten Alan Sangines zuoberst aufs Podest. Der Jurist hatte seine Bachelorarbeit in Wirtschaftsrecht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft verfasst und darin die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Asylgewährung für homosexuelle Antragsstellende analysiert. «Immer wieder liest man Schlagzeilen über negative Asylentscheide schwuler und lesbischer Asylsuchender», sagte er. «Ich wollte wissen, wie die Realität wirklich aussieht.»

Rückschaffung zumutbar?

In seiner Arbeit untersuchte Alan Sangines über 150 Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Er untersuchte zum Beispiel, wie die Ablehnung eines Asylgesuchs mit dem Argument begründet wird, die Behörden im Herkunftsland würden das Verbot homosexueller Handlungen gar nicht durchsetzen. Immer wieder werde auch argumentiert, der antragsstellenden Person sei es zumutbar, in der Heimat ein «diskretes Verhalten» an den Tag zu legen und «die Homosexualität nicht zu zeigen», erklärte Sangines. Dieses «Diskretionsargument» sei aber eigentlich unzulässig und dürfte bei der Beurteilung eines Antrags nicht ins Feld geführt werden.

Sensibilisierung für wichtiges Thema

Insgesamt gelang er zum Schluss, dass die Asylgesuche homosexueller Personen sehr unterschiedlich gehandhabt würden. Es käme stark auf die im Einzelfall involvierten Sachbearbeitenden beim Staatssekretariat für Migration sowie die urteilenden Richterinnen und Richter an. Alan Sangines entwickelte deshalb einen Leitfaden, der bei der Behandlung von Asylgesuchen aufgrund der sexuellen Orientierung beachtet werden sollte. «Damit kann hoffentlich eine einheitlichere Praxis und mehr Rechtssicherheit geschaffen werden.»

Der Gewinn des Network-LGBTI-Forschungspreises bedeutet dem 30-Jährigen viel. «Es freut mich ausserordentlich, da mir die Asylthematik sehr am Herzen liegt.» Allzu oft vergesse man, dass es um das Leben von Menschen gehe. «Das sind Menschen wie wir, die in ihrer Heimat aber einzig und allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher leben können. Ich hoffe, mit meiner Arbeit vermehrt auf die schwierige Lage der Betroffenen aufmerksam machen zu können.» Das Siegergeld von 500 Franken wird er einer Organisation spenden, welche homosexuelle Flüchtlinge unterstützt.  

Text: Markus Stehle

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