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Äneas Humm 2.12.21

Auf Hass mit Liebe reagieren

Bariton Äneas Humm trat an der Network-Jubiläumsfeier auf.
Bariton Äneas Humm trat an der Network-Jubiläumsfeier auf.

Äneas, als man dich anfragte, ob du am 25-Jahr-Jubiläum von Network singen würdest, was hast du dir damals unter «Network» vorgestellt? Kanntest du diesen Verein?
Wenn ich ehrlich bin, kannte ich Network nicht. Das LGBTIQ-Leben der Schweiz war mir eher unbekannt, da ich, seit ich 18 bin, im Ausland lebe. Auch mein Coming-out hat in Deutschland stattgefunden. Umso erfreulicher, dass es eine so schöne Anzahl an Vereinen wie Network gibt, die sich für unsere Anliegen in der Schweiz einsetzen. 

Wie hat dir die Jubiläumsfeier im Berner Bellevue Palace gefallen?
Leider habe ich nur den Festakt erleben können, da ich danach sofort zum nächsten Auftritt reisen musste. Die Reden fand ich sehr schön, und ich habe Lust bekommen, einer breiteren Gesellschaft von meinem Coming-out zu erzählen. Je öfter wir drüber reden, desto weniger Menschen werden unter ihrem Coming-out leiden.  

Network ist ein Netzwerk schwuler Geschäftsmänner, Politiker und Kulturschaffender. Braucht es das deiner Meinung nach heutzutage überhaupt noch?
Ein Netzwerk braucht es auf jeden Fall. Die schwulen Männer müssen genau so ein Sprachrohr haben, wie alle anderen. Besonders schön und wichtig ist meiner Meinung nach der Einsatz für die nächste Generation. Durch Social Media wurde Mobbing ins Internet verlagert, und da muss man Projekte unterstützen, die queere Teenager schützt und Hilfe bietet. Ebenso Aufklärung über HIV und seine Entstigmatisierung. 

Wurdest du jemals wegen deiner sexuellen Orientierung beruflich diskriminiert oder «zurechtgewiesen» im Sinne von, dass du dieses oder jenes nicht «so schwul» darstellen solltest?
Leider muss ich diese Frage mit Ja beantworten. Allzu oft kriegt man diesbezüglich blöde Bemerkungen zu hören. Besonders schmerzhaft sind sie, wenn man in einer szenischen Probe einen anderen Menschen spielt. Was mich dann erschreckt ist die Büchse, die man öffnet, wenn man sich beschwert. Anstatt einer Entschuldigung kriegt man einen Platz in einer Psychotherapie – dabei hat der Beleidigte weniger Bedarf zu sprechen als die Person, die homophobe Bemerkungen von sich gibt. Leider machen solche Bemerkungen vor nichts Halt. Mein Youtube-Account ist regelmässig Zielscheibe von Hasskommentaren, die sich hinter anonymen Profilen verstecken. Woher all dieser Hass kommt…? Ich kann darauf nur mit Liebe reagieren, diese Menschen müssen sehr viel Leid in ihrem Leben haben. 

Du selbst bist mit deinen 26 Jahren bereits verheiratet. Warum ist die Ehe für euch in diesem jungen Alter wichtig?
Als ich mich 2019 nach schwerer Krankheit ins Leben zurück kämpfen musste, merkte ich, wer an meiner Seite stand – no matter what. Mein Mann. Wir sind jetzt im siebten Jahr zusammen, und über ein Jahr verheiratet. Für mich ist die Ehe nicht nur ein Bund fürs Leben, sondern auch ein Zeichen, dass man füreinander einstehen will und wird. Leider wache ich viel zu oft in einem leeren Bett auf, weil ich auf Tour bin. Jeden Tag, den ich ohne meinen Mann verbringen muss, empfinde ich als weniger fröhlich. 

Du bist Schweizer, wohnst aber in Deutschland. Doch man kann dich auch hierzulande oft auf der Bühne sehen. Wann und wo zum nächsten Mal?
Am 22. Dezember und am 12. Februar 2022 steht ich noch einmal als Papageno am Theater St.Gallen auf der Bühne. «Die Zauberflöte» wurde von Guta Rau bunt und queerfreundlich inszeniert. Die Oper wird von Katharina Müllner dirigiert. In der Schweiz sind Frauen im Graben eine Rarität. Leider! Am 12.  Juni singe ich einen Liederabend auf dem Schloss Waldegg bei Solothurn und am 26. Juni auf La Praire bei Biel. Und dann kehre ich ans Theater St.Gallen zurück: Für eine Oper, die ich leider noch nicht verkünden darf… Aber: Die Reise lohnt sich bestimmt. Am besten informiert man sich über meine Auftritte und was ich sonst gerade so mache auf Instagram (@aeneashummbaritone).

Die Kulturbranche kommt nach dem Corona-Knockout langsam wieder auf die Beine. Wie hast du die auftrittsfreie Zeit genutzt?
Da ich im Fest-Engagement am Badischen Staatstheater bin, hatte ich auch im Lockdown viele Proben für Opern, die wir teils nie aufgeführt haben.  Es gab aber auch Wochen, in denen ich nur Zuhause war und für meinen Mann – dessen Arbeit virtuell stattfand – gekocht habe. Ich habe sehr viel Yoga gemacht, Youtube nach tollen Sportvideos durchforscht, viel geübt – und einige Bücher gelesen. Am schwersten ist mir gefallen, dass wir Freunde und Familie nicht sehen durften. Ein guter Zeitvertrieb war die Aufnahme für meine neue CD «Embrace», die eben erschienen ist. Im Lockdown eine CD zu machen war aufregend; wir haben etwas Gutes produziert.

Wenn ich dir drei Wünsche erfüllen könnte, was würdest du dir wünschen?
Erstens: Menschen sollen lernen, sich mit Würde zu begegnen. Auch bei Meinungsverschiedenheiten kann man gemeinsamem einen Konsens finden, und meist sind wir uns alle ähnlicher, als wir meinen. 

Zweitens: Ich wünsche mir, dass wir vereint gegen den Klimawandel einstehen. Jeder einzelne muss bei sich selbst beginnen. Nehme ich den Flieger oder Zug? Kaufe ich unverpackt oder verpackt…? Es ist möglich, sich und sein Verhalten zu ändern.

Drittens: Dass klassische Musik für alle Kinder zugänglich wird. Noch immer klebt an einem Instrument ein Preisetikett. Als Kind ein Instrument zu lernen, schult fürs Leben. 

Auch Erwachsene können übrigens musizieren… oder singen… Denn eine Stimme hat jeder, man muss sie nur nutzen!

Text: Michel Bossart

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