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Interview 7.1.16

«Homophobie darf nicht banalisiert werden»

Reynard: «Die Suizidversuchsrate ist bei homosexuellen Jugendlichen um ein Mehrfaches höher als bei heterosexuellen jungen Menschen.» (Bild: parl.ch)
Reynard: «Die Suizidversuchsrate ist bei homosexuellen Jugendlichen um ein Mehrfaches höher als bei heterosexuellen jungen Menschen.» (Bild: parl.ch)

SP-Nationalrat Mathias Reynard reichte vor knapp drei Jahren die Parlamentarische Initiative «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» ein. Diese sieht eine Ausweitung der Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung vor. Im Interview spricht der 28-Jährige über die Notwendigkeit dieser Forderung und sein Engagement für die LGBT-Community.

 

Herr Reynard, warum braucht es die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung?

Wer Homosexuelle öffentlich verunglimpft, beleidigt oder ihnen gegenüber zu Hass aufruft, kann in der Schweiz zurzeit nicht bestraft werden. Es fehlt die entsprechende gesetzliche Grundlage. Für diese Gesetzeslücke wurde die Schweiz auch auf internationaler Ebene schon mehrfach kritisiert, so zum Beispiel im Rahmen der periodischen Überprüfung durch den Menschenrechtsrat der UNO, den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes oder bei der Überprüfung durch die Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Es ist Zeit, dass die Schweiz handelt!

 

In einem Interview haben Sie gesagt, gerade für Jugendliche könnten homophobe Kommentare verheerende Konsequenzen haben. Inwiefern?

Seit fünf Jahren arbeite ich als Sekundarlehrer. Ich sehe jeden Tag, wie sensibel und zerbrechlich die Jugendlichen sind. Es kann für eine junge, homosexuelle Person sehr schwierig sein, wenn sie nicht nur für die Akzeptanz ihrer sexuellen Orientierung kämpfen, sondern sich auch noch homosexuellenfeindliche Äusserungen anhören muss. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, welchen Schaden und welches Leiden solch hasserfüllte Homophobie bewirken kann. Diese darf nicht banalisiert werden. Zu bedenken ist auch, dass die Suizidversuchsrate bei homosexuellen Jugendlichen um ein Mehrfaches höher ist als bei heterosexuellen jungen Menschen. Hiergegen müssen wir etwas unternehmen.

Wo steht die Initiative zurzeit?

Die Initiative wurde damals zuerst von der Rechtskommission des Nationalrats angenommen. Das war eine grosse Überraschung. In der Vergangenheit waren schon mehrere derartige Vorstösse gemacht, aber jeweils systematisch abgelehnt worden. Danach geriet die Initiative ein wenig ins Stocken, weil die Rechtskommission des Ständerates mit einer Annahme zögerte. Nachdem dann aber der Nationalrat dem Geschäft im Plenum zugestimmt hatte, kam es schliesslich auch im Ständerat durch. Zurzeit erarbeitet die nationalrätliche Rechtskommission einen Gesetzesvorschlag.

Es gibt politische Kreise, die von der Ausweitung der Strafnorm nicht viel halten. Erwarten Sie noch grossen Widerstand oder allenfalls gar ein Referendum?

Angesichts der neuen Zusammensetzung des Parlaments ist das Geschäft noch keine beschlossene Sache. Wir müssen nun auf die Parlamentarierinnen und Parlamentarier einwirken, die wir kennen, und auf diese Weise versuchen, das Geschäft zum Abschluss zu bringen. Es liegt nun am Parlament, dass dies gelingt. Sollte es danach zu einem Referendum kommen, dann glaube ich, dass das Volk hinter uns stehen wird.

Woher kommt Ihre Motivation, sich für die Rechte und den Schutz homosexueller Menschen einzusetzen?

Einige waren überrascht von meinem Engagement, denn ich bin vor allem ein radikaler Gewerkschafter. Aber ich habe verstanden, dass diesen Kämpfen ein gemeinsames Prinzip zugrunde liegt: Alle haben sie das gemeinsame Ziel, die Menschenrechte und die Gleichstellung zu stärken. Darüber hinaus war ich berührt von der persönlichen Situation einiger meiner Freunde, denen es grosse Mühe bereitete, sich zu einem Coming-out durchzuringen. Es sind Jahre vergangen, bis meine Freunde mir von ihrer Homosexualität erzählten. Eine solche Angst ist nicht normal!

Sie sind aus dem Wallis, einem Kanton, der als eher konservativ gilt. Welche Reaktionen erhielten Sie, nachdem Sie die parlamentarische Initiative eingereicht hatten und Ihr diesbezügliches Engagement bekannt wurde?

Es ist offensichtlich, dass dies ein ziemlich schwieriges Thema ist im Wallis. Ich betreibe aber keine Wählerfangpolitik, sondern bin Politiker aus Überzeugung. Zudem denke ich, dass es ein umso stärkeres Signal sendet, wenn die Thematik von einem Heterosexuellen, der darüber hinaus noch aus einem konservativen Kanton stammt, auf den Tisch gebracht wird. Dieser Einsatz brachte mir jedenfalls viele Reaktionen ein, sowohl positive als auch negative. Ein Mann weigerte sich zum Beispiel, mir die Hand zu schütteln, während er mir eine homophobe Beleidigung an den Kopf warf. Ausserdem erhielt ich mehrere ziemlich heftige Briefe. Ich besinne mich aber vor allem auf die dutzenden von rührenden Mitteilungen, die ich erhielt. Diese zeigen mir, dass diese Aktion nötig war.

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