Die Tessiner Regionalgruppe wird neu von Emilio Motta geleitet. Im Interview spricht er über sich, das Tessin und die Herausforderungen, die er mit seiner Regionalgruppe in nächster Zeit meistern will.
Emilio, wie und wann bist du zu Network gekommen?
Seit meinem Umzug in die Schweiz im Jahr 2013 pflege und erweitere ich mein berufliches und privates Netzwerk. Da ich schon immer an Politik im Allgemeinen und an LGBTIQ-Rechten im Speziellen interessiert war, verspürte ich auch in meiner Wahlheimat ein Bedürfnis, mich dafür stark zu machen. Als ich von Network hörte, war ich sehr beeindruckt von der Art und Weise, wie sich der Verein an der Debatte über die Rechte homosexueller Menschen in der Arbeitswelt beteiligt. So dachte ich mir, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, neue Menschen kennenzulernen und dabei gleichzeitig etwas Sinnvolles zu tun. Mein Mann Marco und ich wussten, dass die Regionalgruppe Tessin neue Mitglieder sucht. In den ersten Monaten des Jahres 2019 haben wir dann Kontakt mit dem Verein aufgenommen.
Du bist der neue Leiter der Regionalgruppe Tessin. Was sind die grössten Herausforderungen, die auf Network im Tessin zukommen?
Sicherlich ist es unsere Priorität, proaktive Menschen zu finden, die sich am Vereinsleben beteiligen und ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen einbringen. Unser Ziel ist es, so viele Tessiner Führungskräfte wie möglich einzubeziehen, um die Rechte der LGBTIQ- Menschen am Arbeitsplatz zu fördern. Ansonsten sind die Herausforderungen ähnlich, wie die von Network Schweiz, insbesondere im politischen Bereich. Wir sind bereit, uns aktiv in die kommenden Abstimmungskämpfe einzubringen. Uns ist es wichtig, dass diese Themen auch im Kanton Tessin richtig angegangen und so gut wie möglich unterstützt werden.
Welche Unterstützung erhoffst du dir vom Vorstand oder anderen Regionalgruppen?
Man spürt, dass ein Fortbestehen der Regionalgruppe Tessin dem Vorstand viel bedeutet. Er bietet uns Unterstützung und die nötigen Instrumente, um dies zu realisieren. Wir sind zuversichtlich, dass der Vorstand auch bereit sein wird, uns zu helfen, wenn wir uns beispielsweise entscheiden, eine wichtige Veranstaltung zu organisieren. Was die anderen Regionalgruppen betrifft, so haben wir während der letzten Erweiterten Vorstandssitzung (EVS) im November über die Möglichkeit von Kooperationen zwischen zwei oder mehreren Gruppen gesprochen. Ich bin überzeugt, dass wir sehr gute Synergien schaffen können.
Was steht 2020 auf der Tessiner Agenda?
Neben unseren gewohnten Aperitifs mit anschliessendem Abendessen, die monatlich abwechslungsweise in Lugano oder Locarno stattfinden, veranstalten wir auch wieder den traditionellen Besuch des Locarno Film Festivals, an dem oft auch Networker aus der ganzen Schweiz teilnehmen. Solche informellen Treffen sind auch wichtig, um neue Sympathisanten einzubeziehen. Zudem werden wir weiterhin mit TicinoPride zusammenarbeiten, einer Gruppierung, die am Tag nach der Pride 2018 und auch mit Hilfe von Network gegründet wurde. Wir werden sehen, welche Möglichkeiten es gibt, in Zukunft wieder eine Pride im Tessin zu organisieren.?Eines meiner Ziele ist auch die Pflege der Beziehung zu Network-ähnlichen Gruppierungen in Italien: EDGE oder Parks zum Beispiel. Gerade unsere Nähe zu Mailand drängt eine gewisse Zusammenarbeit auf. Man darf gespannt sein..!
Letztes Jahr fand die nationale Pride erstmals in der italienischen Schweiz statt. Hat sie einen bleibenden Eindruck bei der Tessiner Bevölkerung hinterlassen?
Der Pride 2018 hat eingeschlagen wie eine Bombe – im positiven Sinne natürlich. Die Resonanz der Bevölkerung aus allen Gesellschaftsschichten war fantastisch. Von grundlegender Bedeutung war die Unterstützung vieler Menschen und Institutionen. Das hat dem Tessin zu verstehen gegeben, was die Pride wirklich ist und was sie bedeutet. Selbst diejenigen, die LGBTIQ-Themen normalerweise weniger Aufmerksamkeit schenken, erkannten, dass die Akzeptanz von Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität, nur eine Bereicherung für die Gesellschaft sein kann. Ich glaube wirklich, dass der Anlass dazu beigetragen hat, die Tessiner Mentalität in diesen Fragen positiv zu verändern.
Du hast bereits an der EVS (Erweiterte Vorstandssitzung) anfangs November in Schönried teilgenommen. Dein Eindruck?
Es war für mich eine gute Gelegenheit, den Vorstand, die Regional- und die Kommissionsleiter persönlich kennenzulernen und mich bei allen bekannt zu machen. In Schönried war die offizielle Stabsübergabe zwischen mir Patrick Perret-Gentil, der seit vielen Jahren einen tollen Job für die Tessiner Gruppe macht. Ich habe mich mit allen sehr gut verstanden und wohl gefühlt. Zudem habe ich es begrüsst, dass wir über sehr konkrete Dinge gesprochen haben und dass wir die uns zur Verfügung stehende Zeit gewinnbringend nutzen konnten. Anfangs fürchtete ich ja, dass die Sprachbarriere und mein Status als Unbekannter mich etwas einschränken würden. Aber ich muss sagen: Ich habe mich sofort willkommen gefühlt und trotz meines nicht wirklich perfekten Deutschs gelang es mir, gute Gespräche mit allen zu führen.
Noch ein paar Fragen zu dir: Was magst du?
Ich mag Herausforderungen und probiere gerne neue Dinge aus. Ich bin stets auf der Suche nach neuen Zielen in ganz unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel Musik oder Sport. Ich bin Amateur-Klarinettist und hege eine grosse Leidenschaft für die Musik. Und ich verbringe gerne Zeit mit meinem Mann Marco und unseren beiden Hunden, egal ob zu Hause oder unterwegs.
Und was magst du nicht?
Immer an der gleichen Stelle zu treten: Ich muss mich ständig bewegen und die Welt entdecken, indem ich neue Menschen kennenlerne und weitere Erfahrungen sammle. Engstirnigkeit mag ich gar nicht: Es ist doch unmöglich, seinen eigenen Horizont zu erweitern, wenn man sich allem verschliesst. Man sagt, dass Unwissenheit und Angst die Hauptbestandteile von Hass sind. Ich persönlich denke, dass der beste Weg, die Angst und die Unwissenheit zu neutralisieren, die Neugier auf neue Orte und andere Menschen ist.
Interview und Übersetzung: Michel Bossart