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Queer Altern 5.3.20

Séniors arc-en-ciel – ein Genfer Wahlthema

Matthias Erhardt (Grüne) und Roger Gaberell (CVP) setzten sich zusammen für das Thema «Séniors arc-en-ciel» ein.
Matthias Erhardt (Grüne) und Roger Gaberell (CVP) setzten sich zusammen für das Thema «Séniors arc-en-ciel» ein.

Keine Lust, im Alter die sexuelle Orientierung (wieder) zu verstecken: Viele LGBTIs im Pensionsalter lassen sich im Pflegefall nicht mehr ins Closet zurückdrängen. Networker Roger Gaberell bringt das Thema «Séniors arc-en-ciel» für die bevorstehenden Genfer Kommunalwahlen auf die politische Agenda.

Alleine im Kanton Genf rechnet man mit 4000 bis 8000 LGBTIs im Alter von über 65 Jahren. Vor allem die Älteren unter den LGBTI stammen aus einer Generation, die geprägt ist von rechtlich, beruflich, sozial oder religiös ausgrenzenden Haltungen gegenüber ihrer sexuellen Orientierung, beziehungsweise geschlechtlichen Identität. Eine Generation, deren Lebensentwurf oft dazu geführt hat, dass sie heute alleine leben, diskret zurückgezogen. Dies macht sie besonders verwundbar. Doch immer mehr Senior*innen gehören heute zu der Out-Generation, die seit den Siebzigerjahren ihr eigenes Leben gestaltet. Bei ihnen stellt sich das Problem, dass sie, sobald sie pflegebedürftig werden, oft wieder zurück ins Closet gedrängt werden.

Die Stadt Genf hat der «Association 360» eine Studie in Auftrag gegeben, die über die Bedürfnisse dieser Bevölkerung näher Aufschluss geben soll. Klare Aktionslinien von Seiten der Verwaltung stehen noch aus; die Erkenntnisse haben aber «360» dazu bewogen, auf Vereinsebene ein Programm für LGBTI-Senior*innen zu starten, das von der Stadt unterstützt wird. Es geht «360» dabei vorerst um die Sensibilisierung und die Sichtbarkeit. Unter der Leitung von Projektleiterin Geneviève Donnet hat Anfang Februar ein Studientag an der Uni Genf stattgefunden. Nach der erfolgreichen Tagung ist es jetzt an der Zeit, die Erkenntnisse auch politisch, vor allem im Gesundheitsbereich in konkrete Aktionen zu übersetzen.

Eine Veranstaltung am 22. Februar im Rahmen der anstehenden Genfer Kommunalwahlen stand ganz in diesem Zeichen. Nach einer informativen Übersicht über den Stand der Vorarbeiten diskutierten etwa 25 Kandidat*innen aus einem breiten Parteienspektrum und Pflegefachleute über ihre Wahrnehmung und über mögliche nächste Schritte.

Die beiden Kandidaten für den Stadtgenfer Gemeinderat Matthias Erhardt (Grüne und Co-Präsident des Dachverbandes der Genfer LGBTI-Vereine) und Networker Roger Gaberell (CVP und in seiner Studienzeit selbst als Altenpfleger tätig) wollen das Thema «Séniors arc-en-ciel» auf politischer Ebene verankern.

Als erstes gelte es, die Notwendigkeit zu erklären, denn in weiten Kreisen herrsche Unverständnis für eine «Sonderbehandlung» von LGBTI-Senior*innen, sagt Roger. In den letzten Jahrzehnten sei die Inklusion das Ziel gewesen, und jetzt wolle man wieder Ghettos schaffen, laute ein vielgehörter Vorwurf. Roger hält fest: «Unsere Gesellschaft ist inklusiver geworden. Die Hauptarbeit dafür leistet die LGBTI-Person selbst. Im Alter ist die Person aber auf mehr als lediglich eine tolerante Haltung angewiesen – sie braucht eine aktivere Inklusion. Das aktuelle Gesundheitswesen ist dazu meist nicht in der Lage.»

Tatsächlich stossen LGBTIs heute im Umfeld von Heimpflege und Pflegeheimen oft auf Unverständnis der Administration oder des Pflegepersonals, das – gerade in Genf – meist aus traditionell religiös geprägten Kulturen stammt. Unverständnis aber auch von Seiten von Mitbewohner*innen, die aus einer wenig toleranten Generation stammen und allzu häufig steht ihnen auch die Scham der eigenen Angehörigen im Weg.

In diesem Zusammenhang verweist Matthias auf die wichtige Rolle der Vereine: «Vereine bieten für eine LGBTI-Person eine gute Grundlage, sich eine gewählte Familie zu schaffen. Im Kreise der gewählten Familie kann die Person – oft im Gegensatz zur leiblichen Familie – sich selbst sein. Vereine müssen daher den Seniorinnen und Senioren ein aktives Leben bieten können.»

Die lösungsorientierte, qualitativ sehr hochstehende Diskussion an der Wahlveranstaltung drehte sich um die Sensibilisierung weiterer Kreise, die Grundausbildung, eine mögliche Spezialausbildung, LGBTI-freundliche Institutionen, gemischte Heime mit einem hohen Anteil an LGBTI-Personen oder gar exklusive Strukturen. Roger schliesst: «Eine vielversprechenden Lösung wäre wohl die Schaffung eines Labels für LGBTI-freundliche Pflegeeinrichtungen und -dienste.»

Text: Michel Bossart

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